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Walther Kabel: Der Doppelgänger. In: Zeit im Bild, Jahrgang 1908, S. 59, 82–84, 106–108, 130–132, 154–156, 178–180, 202–204, 226–228, 250–252, 274–276, 298–300, 322–324, 346–348, 370–372, 394–396, 418–420, 442–444, 466–468, 490–492

„Bis jetzt?“ Und wer waren denn diese beiden Herren?“

„Bis jetzt!“ Der Baron hatte sich aufgerichtet; er schien zu merken, daß diese Fragen irgend etwas zu bedeuten hatten, er sah die ernsten Gesichter der Umstehenden, deren Augen so merkwürdig forschend auf ihn gerichtet waren. Und in steigender Erregung fragte er den Staatsanwalt: „Mein Herr, dürfte ich wissen, was das alles zu bedeuten hat? Ihre Fragen – auch das Benehmen dieser … Leute, die mich da draußen vor der Tür zu diesem Gebäude beinahe überfielen, mir so rücksichtslos … befahlen, ich solle mit ihnen kommen?! Was heißt das alles?“

Hübner blieb ruhig und nur seine Stimme klang kurz und hart, als er antwortete: „Ich bin der Staatsanwalt Hübner – ich habe ein Recht, Fragen an Sie zu richten – und die beiden Beamten haben auf Befehl gehandelt, als sie Sie hierherführten!“

„Mich hierher … führten?! Das klingt ja, als … ja, als hätten Sie mich in Verdacht …“ – Der Baron brachte den Satz nicht zu Ende. Ratlos, ungläubig schaute er den Staatsanwalt an.

„Herr Baron von Berg – Sie sind aufs schwerste verdächtig, diesen … Mord hier begangen zu haben!“ Hübner dachte, nun werde der Baron aufbrausen, oder entsetzt zurücktaumeln. Nichts von dem. Der Baron schüttelte nur leise den Kopf und meinte wie vorwurfsvoll … „Aber wie sind die Herren nur auf diese unmögliche Vermutung gekommen! Ich – ich soll den … meinen, ich kann sagen alten Freund Friedrichs … ermordet haben?!“

„Bitte, Herr Baron“ – Hübner war nun doch erregt – „wollen Sie mir jetzt kurz und bündig antworten: Seit wann sind Sie in der Dannerschen Weinstube gewesen und mit wem?“

Wenn Hübner nun gehofft hatte, daß der Baron irgend welche Verlegenheit zeigen würde, so hatte ihn diese Hoffnung schwer betrogen.

„Gewiß werde ich antworten, Herr Staatsanwalt,“ sagte Herr von Berg plötzlich sehr kühl und sehr von oben herab. „Als ich Herrn Friedrichs kurz nach 10 Uhr am heutigen Vormittage verließ, wollte ich eigentlich nach einer Stunde – wie ich auch mit Friedrichs verabredet hatte, wiederkommen und eine geschäftliche Angelegenheit hier erledigen. Da ich jedoch in der Wilhelmstraße – es kann nur wenige Minuten nach ¼11 gewesen sein, zwei alte Bekannte, und zwar den Rittmeister Grafen Hoyne und den Regierungsrat von Werder traf und die Herren mich aufforderten, sie zu Danner zu begleiten, habe ich mich verspätet und komme soeben erst aus jener Weinstube, die ich seit ½11 nicht mehr verlassen habe. Vor der Tür der Bank stürmten dann diese beiden … Leute auf mich zu und … führten mich hierher.“

Der Staatsanwalt war merklich betreten. Er wollte nicht glauben, daß der Baron mit so frecher Stirn ein Alibi erfinden könne – wollte aber auch den einmal gefaßten Verdacht nicht so schnell fallen lassen.

„Und jene beiden Herren, Ihre Bekannten, Herr Baron, sind mit Ihnen bis jetzt zusammen gewesen?“

„Bis vor wenigen Minuten … die beiden Herren haben mich sogar bis vor dieses Gebäude begleitet, was Ihre beiden Beamten bestätigen werden.“ – Hübner sah Behrent fragend an. Dieser nickte. „Jawohl, Herr Staatsanwalt – das stimmt. Der Herr Baron kam mit zwei anderen Herren die Straße entlang und verabschiedete sich dann von ihnen – es war ein Offizier von den Husaren und ein Herr in Zivil.“

Hübners Verlegenheit stieg. Er sah ein, daß er zu weit gegangen war, daß auch der Ton, den er Herrn von Berg gegenüber angeschlagen, nicht der richtige gewesen. Und blitzschnell kam ihm dann die Erinnerung an das, was Dr. Werres vorher gesagt hatte. – „Die Beweise für die Unschuld des Barons werden sich noch heute von selbst ergeben!“ – Wie richtig jener doch kombiniert und wie leicht er sich durch den Kommissar hatte irreführen lassen! Jetzt erschien ihm selbst dieser Verdacht so unglaublich, daß er in seiner Betretenheit vergebens nach Worten suchte, um sein Ungeschick wieder gut zu machen. Und dazu sagte noch der Baron jetzt, während der Hochmut in seiner Stimme und in seiner Haltung immer deutlicher zutage trat: „Herr Staatsanwalt, falls Sie irgend welche Zweifel in die Wahrheit meiner Aussage setzen, so schicken Sie bitte in das Hotel „Deutsches Haus“. Die beiden Herren erwarten mich dort.“

„Verzeihung, Herr Baron“ – Hübner suchte mühsam nach Worten – „ich sehe, wir haben uns geirrt …“ Und dann setzte er dem erstaunt Aufhorchenden auseinander, wie sich die Verdachtsgründe gegen ihn so ganz von selbst ergeben hätten, wie nach den bisherigen Vernehmungen nur eine einzige Person übrig geblieben wäre, auf die alle Spuren hinwiesen – eben er, der Baron von Berg. –

„Aber das ist ja mehr wie rätselhaft, meine Herren – mehr wie rätselhaft …“ meinte Herr von Berg. „Unter diesen Umständen kann ich es Ihnen keineswegs verübeln, Herr Staatsanwalt, daß Sie mich etwas scharf angefaßt haben. Ja – der Portier und der Laufbursche wollen mich deutlich erkannt haben, als ich …, das heißt mein Doppelgänger – um ¾11 dem Bankier meine – das heißt er seine Aufwartung machte?! … Rätselhaft … da finde ich mich nicht zurecht!“

„Jedenfalls danke ich Ihnen, Herr Baron“ – sagte Hübner höflich – „daß Sie uns auf diese für Sie allerdings

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Der Doppelgänger. In: Zeit im Bild, Jahrgang 1908, S. 59, 82–84, 106–108, 130–132, 154–156, 178–180, 202–204, 226–228, 250–252, 274–276, 298–300, 322–324, 346–348, 370–372, 394–396, 418–420, 442–444, 466–468, 490–492. Berliner Central-Verlag, Berlin 1908, Seite 155. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Doppelg%C3%A4nger.pdf/12&oldid=- (Version vom 31.7.2018)