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Walther Kabel: Der Doppelgänger. In: Zeit im Bild, Jahrgang 1908, S. 59, 82–84, 106–108, 130–132, 154–156, 178–180, 202–204, 226–228, 250–252, 274–276, 298–300, 322–324, 346–348, 370–372, 394–396, 418–420, 442–444, 466–468, 490–492

„Was sagen Sie zu den ausgesetzten Belohnungen, Richter?“ fragte er, aufsehend.

„Vielleicht hilft’s, Herr Rat – wer kann wissen! An Überraschungen in dieser Hinsicht sind wir gewöhnt …“

„Wenn diese Überraschungen nur bald kämen! Die Zeit vergeht und mit jedem Tage werden die Aussichten für uns geringer. Und eigentlich – viel Hoffnung habe ich nicht! Wir sitzen fest – so fest wie selten!“ Dann sah er wieder die Akten ein.

„Die Banken, die Post, Restaurants und Hotels sind also verständigt?“

„Jawohl; auch nach auswärts sind die Verzeichnisse der geraubten Banknoten geschickt worden. Es ist ja möglich, daß der Mörder einen der größeren Scheine einzuwechseln versucht und dabei abgefaßt wird.“

„Ja – möglich!“ lachte der Rat ärgerlich. – „Meinen Sie denn wirklich, Richter, daß ein so raffinierter Kopf, wie dieser Unbekannte es sein muß, die Unvorsichtigkeit begehen wird und von den Banknoten eine ausgibt! Nein, da können wir lange warten! Dieser mysteriöse Doppelgänger des Baron von Berg wartet bis Gras über die Geschichte gewachsen ist und genießt dann in Ruhe als Privatier seine Zinsen …“ – Bei diesen sarkastischen Worten schaute der Polizeirat den Kommissar nicht gerade sehr freundlich an. Richter schwieg verlegen. Scheller, der vor seinem Untergebenen stehen geblieben war, nahm seine Promenade durch das Zimmer wieder auf.

„Wird uns nicht viel Ruhm einbringen, dieser rätselhafte Mord!“ brummte er vor sich. „Was halten Sie davon, Richter wenn man einmal in den Buchdruckereien nachfragen läßt, ob vielleicht jemand Visitenkarten des Barons hat drucken lassen?“

„Ist schon geschehen, Herr Rat, ich vergaß Ihnen das zu sagen. Außerdem hat Herr von Berg versichert, daß die in dem Mordzimmer aufgefundene Karte zweifellos ihm gehöre. Wie sie allerdings da auf den Tisch gelangt ist, weiß er nicht und ebenso hat er angegeben, daß er sich nicht besinne, in letzter Zeit dem Bankier seine Karte hingeschickt zu haben, um sich anmelden zu lassen.“

Scheller schüttelte den Kopf. „Überall, wo wir hingreifen, zerfließt uns ein Truggebilde in nichts … und da soll nun ein Mensch noch Lust haben, sich weiter mit der Friedrichsschen Sache zu befassen.“

„Ich gebe die Hoffnung noch nicht auf,“ sagte der Kommissar plötzlich lebhaft.

„Ich habe sie schon aufgegeben!“ Und der Rat warf ärgerlich das Aktenstück in ein Schreibtischfach zurück. – „Sie können dann gehen, Richter, und …“ Das Übrige verschwand in undeutlichem Gemurmel.

Der Kommissar kehrte eilig in sein Zimmer zurück, als treibe ihn ein neuer Gedanke vorwärts. Er drückte dreimal auf den Knopf der elektrischen Leitung und stellte sich dann wartend an das Fenster, bis nach kurzer Zeit der Kriminalbeamte Behrent erschien.

„Behrent, kommen Sie mal näher und hören Sie zu – und, die Hauptsache! – zu niemandem ein Wort von dem, was ich Ihnen jetzt sage. Sie werden von heute an den Dr. Werres beobachten – Sie gehen ihm nicht von den Fersen –! Verstanden?! Und ganz unauffällig natürlich; wählen Sie irgend eine Verkleidung – und sperren Sie Augen und Ohren auf!“ – Der Beamte schaute seinen Vorgesetzten fragend an. „Den Dr. Werres?“ meinte er erstaunt.

„Befolgen Sie meine Befehle – zu fragen haben Sie hier nichts,“ sagte Richter übelgelaunt. „Und zwar beginnen Sie heute schon Ihre Aufgabe – gleich! Und fangen Sie die Geschichte nicht ungeschickt an … ich könnte unangenehm werden!“

Behrent stieg die Treppe zu den im Parterre gelegenen Bureaus hinab und dachte ziemlich achtungswidrig – „Was will er von dem?! Der Werres …?!! Na so ein Unsinn.“


12. Kapitel.

An demselben Tage abends gegen 7 Uhr betrat Dr. Werres das in der Hundegasse gelegene Restaurant Helfrich. Er war bereits am Vormittage dort gewesen, hatte mehrere Krüge des gutgepflegten Münchener Bieres getrunken und dazu die Frühstücksspezialität des Lokals, Frankfurter mit einer sehr scharfen beißenden Meerrettichsauce[1], gegessen. – Das Restaurant bestand aus zwei großen Räumen, war einfach, aber ziemlich sauber eingerichtet und besaß ein Stammpublikum, das sich aus den besseren Kreisen zusammensetzte. Werres hatte sich am Vormittag mit dem Kellner in ein ganz nebensächliches Gespräch eingelassen, ein gutes Trinkgeld gegeben und sich auch nach dem Preise des Abendessens für Abonnenten erkundigt. Er kaufte sich für vier Mark sechs Eßmarken und, als er nach einer Stunde das Restaurant verließ, dachte sich der Kellner, daß er in dem freundlichen Herrn einen neuen Stammgast gefunden hätte.

(Fortsetzung folgt)
  1. Vorlage: Merrettichsauce
Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Der Doppelgänger. In: Zeit im Bild, Jahrgang 1908, S. 59, 82–84, 106–108, 130–132, 154–156, 178–180, 202–204, 226–228, 250–252, 274–276, 298–300, 322–324, 346–348, 370–372, 394–396, 418–420, 442–444, 466–468, 490–492. Berliner Central-Verlag, Berlin 1908, Seite 252. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Doppelg%C3%A4nger.pdf/25&oldid=- (Version vom 31.7.2018)