Über die individuelle Empfänglichkeit verschiedener Menschen für Ton-, Klang- und Geräuschempfindungen hat man nun in der Tat mit den Methoden der experimentellen Psychologie mannigfache Untersuchungen angestellt. In einigen Kliniken sah ich folgende einfache Vorrichtung, mit deren Hilfe man die Empfänglichkeit für Geräuschwahrnehmungen während des Schlafens und somit die individuelle Schlaftiefe festzustellen wähnte. – In dem von der Versuchsperson bewohnten Schlafraum wird ein Kasten angebracht, aus dem alle paar Stunden Kugeln von bestimmtem Gewicht, aus bestimmter Höhe auf eine Metallplatte herabfallen. Sobald das Kugelgewicht die Platte berührt, wird ein Stromkreis geschlossen, durch dessen Einwirkung eine mit ihm verbundene Uhr, die Tausendstelsekunden anzeigt, zum Stillstehen kommt. Der Versuchsperson wird lediglich gesagt, dass, sobald von ihr während der Nacht ein Fallgeräusch gehört wird, sie auf eine an der Wand neben ihrem Bette befindlichen Knopf drücken solle. Dadurch wird dann die Tausendstelsekundenuhr wieder in Gang gesetzt. Mit Hilfe eines zweiten Zeigers der Uhr, der dauernd in Gang bleibt, kann der Experimentator konstatieren, wieviel Sekundentausendstel zwischen dem Fall der Kugel und der Wahrnehmung des Geräusches von seiten des Schlafenden verstrichen waren; oder ob der Schlafende das Geräusch etwa gar nicht bemerkt hat. Auf diese Weise konstatiert man, welche Geräuschstärken und Geräuscharten geeignet sind, um eine bestimmte Person, zu bestimmtem Termin, und unter vorbestimmten Versuchsbedingungen aus dem Schlafe zu erwecken. Vorzüglich wurden diese Versuche benutzt, um die einschläfernde Wirkung neuer Schlafmittel zu erproben. Oder man erprobte den Einfluss der Beschäftigung während des verflossenen Tages; – etwa den Einfluss körperlicher Ermüdung; oder untersuchte die Wirkung einer bestimmten Dosis Alkohol auf die Schlaftiefe. Indessen kommt bei jedem derartigen Versuche, (so weit man die Versuchsreihen auch ausdehnen mag), eine solche Fülle ungleichartiger und zum Teil unkontrollierbarer Faktoren im Resultate zum Ausdruck, dass man schliesslich nichts anderes ersehen kann, als eben die pragmatische Tatsache, wie tief ein bestimmter Mensch zu bestimmter Stunde geschlafen hat, ohne dass man die körperlichen und seelischen Einzelursachen irgendwie zu isolieren vermöchte. – Ebenso wenig überzeugend erscheinen mir die Resultate
Als „Klang” ein aus „Teiltönen” zusammengesetztes akustisches Gebilde, dessen „Farbe” von der Intensität der es zusammensetzenden Teiltöne abhängig ist. Als „Geräusch” eine Folge von Tönen, die entweder hinsichtlich der Schwingungszahl differieren, oder einen sehr schnellen, unregelmässigen Wechsel der Tonhöhe aufweisen (wie z. B. das Heulen des Windes, das Plätschern des Wassers), oder von denen jeder einzelne Ton nur ganz kurz andauert.
Theodor Lessing: Der Lärm. J. F. Bergmann, Wiesbaden 1908, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_L%C3%A4rm.pdf/41&oldid=- (Version vom 31.7.2018)