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Der Trieb zur Kunst, der in dem einsamen Bernau über mich kam, und zwar so stark, daß er mich mein Lebtag nicht mehr verlassen hat, war doch angeerbt, und zwar von mütterlicher Seite. Der Großvater und auch die Brüder meiner Mutter waren Uhrenmacher; einer derselben war Uhrenschildmaler, und in ihm lebte noch ein Rest einer nun verschwundenen Bauernkunst, die in ihrer Primitivheit weichen mußte vor dem modisch städtischen Kunstgewerbe, das seine Schnörkel in alle Dörfer hinein renaissancierte; ich weiß noch ganz gut, wo schönfarbig bunte, mit Blumen bemalte Schränke mit Nußbaumfarbe überzogen wurden und man sich der Buntheit schämte, die man „Baurenkilbe“ nannte. Die Brüder meiner Mutter hatten neben der täglichen Arbeit ihre Liebhaberei; sie trieben Künste, d. h. sie musizierten und hatten Freude am Gesang.

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Es kam die Schulzeit. Ich habe aber immer nebenher gezeichnet, gemalt, geschnitzt, gepappt und mir eine kleine Welt gezimmert. Ich wurde mir auch immer mehr bewußt, wie schön die Welt sei; ich beobachtete die Wolken, die verschiedenen Zeiten des Jahres, die das Aussehen der Gegend so ganz veränderten, lange ehe ich daran denken konnte, so etwas zu malen, ehe ich wußte, daß man so etwas vielleicht auch malen könnte. Lange Zeit hindurch träumte ich von einem Zauberspiegel, in dem ich alle die wechselnden Stimmungen, die über mein liebes Bernauertal hinzogen, festhalten könnte – und sah inzwischen alles in bezug auf diesen Wunderspiegel hin an: genau so müßte der Spiegel es festhalten, wie ich es sah. So sah ich es denn auch, als ob ich dieser Spiegel selber wäre. So möchte ich sagen, ich wurde ganz Auge, schon lange vorher, ehe ich Mittel wußte und kannte, durch die man diese intensive Sehlust einigermaßen fixieren könne. Als ich so zwölf bis vierzehn Jahre alt war, zeichnete ich viel nach allen möglichen Bildchen, die mir in die Hand kamen, die ich oft auch auf graues Packpapier vergrößerte.

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Joseph August Beringer (Hrsg.): Der Malerpoet. Delphin-Verlag München, München 1917, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Malerpoet.pdf/25&oldid=- (Version vom 31.7.2018)