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Walther Kabel: Der Schlingensteller. In: Der Mord im maurischen Pavillon, S. 78–96

so glücklich darüber, habe frohen Herzens meine Arbeit verrichtet, da ich Dich schon damals wiederliebte. Aber alle meine Hoffnungen sollten mir dann plötzlich durch Vinzent zerstört werden. Er traf mich eines Tages allein auf dem Felde, sprach mich an und versuchte wieder, mich umzustimmen, bat und flehte, ich solle die Seine werden. Als ich ihn wie bisher ruhig abwies und schließlich mit kurzem Gruße davonging, geriet er in die fürchterlichste Wut, die ihn alle Klugheit vergessen ließ. „Ich weiß, Du liebst Markdorf!“ schrie er mir nach. „Aber denke nicht, daß Du den je bekommen wirst. Eher wandere ich ins Zuchthaus.“ Was er dann noch weiter an wilden Drohungen gegen Dich hervorstieß, verstand ich nicht mehr. Aber seit dem Tage mußte ich für Dein Leben fürchten, Fritz, denn ich kannte Vinzents[1] Jähzorn und seinen vor nichts zurückschreckenden Charakter nur zu gut. Und nur um Dich zu retten, mied ich Dich fortan, änderte auch mein Benehmen Dir gegenüber, trotzdem es mir unendlich schwer wurde und ich mehr, wie Du ahnst, darunter litt. Ich suchte meines Vetters Rachegedanken auf diese Weise von Dir abzulenken, hoffte, er würde sich täuschen lassen und annehmen, daß ich nichts mehr für Dich empfände. Aber auch dieses qualvolle Mittel sollte mir meine Ruhe nicht wiedergeben. Bald erzählte man sich ja überall, daß Wilderer in Deinem Revier ihr Unwesen trieben und daß Du, um sie abzufassen, fast Nacht für Nacht auf der Lauer lägest. Oft habe ich mit dem Vater darüber gesprochen, und er war es auch, der mir gegenüber Vinzent dann einmal als einen der Wildschützen verdächtigte, um dessen geheime Jagdleidenschaft er längst wußte. Da wurde mir plötzlich klar, warum sich der Wilderer gerade nur immer in Deinem Revier zeigte, warum nur Du unter diesen steten Aufregungen zu leiden hattest. Man wollte Dir eben den weiteren Aufenthalt hier verleiden, wollte Dich zwingen, unsere Gegend zu verlassen. Und niemand hatte ja ein größeres Interesse an Deiner Versetzung als gerade mein Vetter, der vielleicht dachte, dann mehr Glück mit seinen Heiratsplänen zu haben. Auch mein


  1. Vorlage: Vinzent
Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Der Schlingensteller. In: Der Mord im maurischen Pavillon, S. 78–96. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 89. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Schlingensteller.pdf/12&oldid=- (Version vom 31.7.2018)