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Walther Kabel: Der Schlingensteller. In: Der Mord im maurischen Pavillon, S. 78–96

Vater, dem ich damals meine Liebe zu Dir gestand, gab meinen Vermutungen recht, warnte mich aber zugleich, Dir etwas von unserem Verdacht mitzuteilen, da die Befürchtung nahe lag, daß Du dann Deine Anstrengungen, den Wilddieb zu überraschen, und damit zugleich die Gefahr für Dein Leben verdoppeln würdest. Deshalb nur schwiegen wir, und nur aus diesem Grunde hat der Vater davon abgesehen, einmal mit Vinzent ein ernstes Wort zu sprechen, den er als den einzigen Sohn seiner Schwester natürlich auch gern vor dem Gefängnis bewahrt hätte. So verging der Sommer, der Herbst kam. Mit der Zeit wurde ich ruhiger, da ich sah, daß meine Angst um Dein Leben unbegründet gewesen war. Aber mit der wiederkehrenden Hoffnung auf eine glückliche Lösung meiner Herzensnot erwachte auch wieder die Sehnsucht, die große Sehnsucht nach Dir, dem die plötzliche Wandlung in meinem Verhalten ein ganz falsches Bild von meinem Charakter und meinen Gefühlen hatte geben müssen. Dann traf ich Dich damals vor einem Monat, als ich aus der Stadt heimkehrte. Ich wagte es, Deine Begleitung anzunehmen, wagte dann auch, Dir manche heimliche Zusammenkunft in der Dämmerstunde zu gewähren. Vinzent Dembinski ahnt wohl bis heute nicht, wie oft zwei glückliche Menschen, dort draußen in dem Feldrain, nebeneinander unter dem wilden Birnbaum gesessen haben. Sicherlich hat er uns dann vorgestern im Walde beobachtet, als Du endlich das entscheidende Wort sprachst. Und in der ersten Wut über unsere Verlobung ließ er sich dazu hinreißen, diesen heimtückischen Brief an Deinen Vorgesetzten zu schreiben, der so recht die ganze Verworfenheit seines Charakters zeigt. Denn nur er kommt als Verfasser dieses Schreibens in Betracht, nur er! Gewiß, die Handschrift ist verstellt, aber ich selbst habe noch im vorigen Jahre genug Briefe von ihm erhalten, um einzelne Buchstaben und besonders die Schreibweise mancher Wörter wieder zu erkennen. Unser junges Glück hat er so zu zerstören versucht, indem er Dich aufs gemeinste

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Walther Kabel: Der Schlingensteller. In: Der Mord im maurischen Pavillon, S. 78–96. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Schlingensteller.pdf/13&oldid=- (Version vom 31.7.2018)