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in Philippopel Station, um meinen Freund Pastor Awetaranian zu besuchen.

Am 24. Juli, dem Tage des Nationalfestes zur Feier der Einführung der Konstitution kam ich nach Anbruch der Dunkelheit in Konstantinopel an. Eine festliche Menge wogte auf den erleuchteten Plätzen und Straßen von Stambul. Die Gärten waren zu Tanz und Spiel mit Lampions geschmückt. Die Brücke, die Stambul und Galata über den Meeresarm des Goldnen Horns verbindet, bot einen bezaubernden Anblick. An den zahllosen Minarets, deren Nadeln hell belichtet in den Nachthimmel ragten, hingen Lichterkränze an den umlaufenden Altanen, von denen die Muezzins den Gebetsruf erschallen lassen. Koranverse in leuchtenden arabischen Schriftzügen, an Netzen zwischen den Moscheetürmen aufgespannt, waren an die dunkle Himmelsdecke gemalt. Das Quinquilieren türkischer Musikbanden erklang aus den Gassen und Gärten. Konstantinopel feierte heute die jungtürkische Revolution, während der Feind an die Pforte der Dardanellen hämmerte. Ich stieg im Hotel Tokatlian an der Grande rue de Péra ab. In der Stille der Nacht wurde ich von Kanonaden aufgeweckt, die den Angriffen von Torpedobooten zugeschrieben wurden, denen es gelungen war, die Dardanellen zu passieren und in den Bosporus einzufahren.

Es war mir klar, daß ich von dem Tage meiner Ankunft an von Polizeiagenten überwacht werden würde. Wollte ich das Leben von Armeniern, mit denen ich in Verbindung trat, nicht gefährden, so mußte ich mich der größten Vorsicht bedienen. Nur meine Besuche auf der Botschaft und beim Armenischen Patriarchen brauchte ich nicht zu verschleiern.

Selbst Deutsche trugen hie und da Bedenken, sich mit mir sehen zu lassen. Es gelang, meine Zusammenkünfte mit Armeniern so einzurichten, daß sie von Spionen unbemerkt blieben.

In der Botschaft fand ich jede gewünschte Unterstützung

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Johannes Lepsius: Der Todesgang des armenischen Volkes. Tempelverlag, Potsdam 1919, Seite VIII. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Todesgang_des_armenischen_Volkes.pdf/11&oldid=- (Version vom 31.7.2018)