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sie den Priester und einige Bauern bis an die Zähne, so daß sie wie Banditen aussahen, und führten diese künstlich bewaffnete Bande in die muhammedanischen Quartiere der Kreishauptstadt Kemach, um diese gegen die Armenier aufzureizen. Dann wurden sie ins Gefängnis geworfen und endlich nach Erzerum abgeführt.

Die Bewohner des Dorfes Minn, das jetzt in Asche liegt, hatten nicht weniger als 7000 türk. Pfund Steuern gezahlt. Die Bauern wandten sich an den armenischen Aradschnort (Metropoliten), ließen ihn eine Eingabe aufsetzen und gingen mit ihm zum Kaimakam (Landrat).

Der Kaimakam schnauzt sie an: „Wer gibt euch das Recht, solche Rapporte zu machen?“ Die Bauern: „Haben wir nicht durch die Gnade der Regierung das Recht, in Gemeindeangelegenheiten Eingaben zu machen?“ Der Kaimakam: „Das war die alte Regierung. Die neue Regierung hat euch keinerlei derartige Rechte gegeben. Alle solche Rechte sind hinfällig. Ihr habt keine Eingaben zu machen und Beschwerde zu führen. Die Regierung tut von selbst, was nötig ist. Wenn ihr wollt, werde ich euch mit diesem Dokument zum Staatsanwalt schicken, und er wird euch ins Gefängnis werfen.“ Die Bauern: „Wir wollen uns nicht in die Angelegenheit der Regierung mischen; wir wollen nur wissen, mit welchem Recht ein Gendarm fünfmal einen Priester bastonnieren und Frauen und Kinder foltern darf, unter dem Vorwande, Bomben zu finden. Diese Bauern wissen nicht einmal, was eine Bombe ist. Warum hat man diese Leute bewaffnet und unter die Moslems geschickt, da man sie nicht mit den Waffen attrapiert hat?“ Der Kaimakam: „Wir sind völlig frei, jedes Mittel zu gebrauchen, das uns paßt.“ Die Bauern: „Warum läßt man die Gendarmen Erpressungen machen?“ Der Kaimakam: „Das geht euch gar nichts an. Bis jetzt war der Handel in eurer Hand. Von jetzt ab werdet ihr nichts mehr mit dem Handel zu tun haben.

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Johannes Lepsius: Der Todesgang des armenischen Volkes. Tempelverlag, Potsdam 1919, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Todesgang_des_armenischen_Volkes.pdf/74&oldid=- (Version vom 31.7.2018)