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Absicht wieder auf; der Gedanke, auch nur einen Schatten von solch einem furchtbaren Verdacht auf einen französischen Seeoffizier zu werfen, erschien mir zu ungeheuerlich.

Kapitän Vernon war nach der Schilderung Walkers zu der Überzeugung gelangt, daß die Brigg, die die „Ophelia“ zerstört hatte, zugleich mit Seeraub auch Sklavenfängerei betrieb; daß sie in aller Wahrscheinlichkeit eins von den drei Fahrzeugen sei, die, nach der Aussage des Kapitäns des „Leopard“, von Kuba her auf dem Wege nach dem Kongo waren und jeden Tag hier eintreffen sollten.

Seit der Bergung der schiffbrüchigen Ophelialeute waren vier Tage verstrichen und wir befanden uns auf der Rückfahrt nach der Kongomündung, als der Mann auf dem Ausguck ein Fahrzeug meldete, das vor uns, etwa drei Strich Luwart, in Sicht gekommen war und unter einer wahren Wolk von Segeln auf uns zulief. Unser erster Gedanke war, daß dies die Brigg sei, die dem armen Walker so übel mitgespielt hatte und jetzt vielleicht mit einer Ladung Sklaven an Bord aus dem Kongo herauskäme.

Der „Wolf“ helt daher etwas ab, um dem Fremden den Weg abzuschneiden, und zugleich erhielt die Mannschaft den Befehl, sich zum Segelsetzen bereit zu halten, wenn jener etwa Miene machen sollte, uns auszuweichen. Dies geschah jedoch nicht. Der fremde Segler kam näher und näher. Zuerst waren von Deck aus nur seine Oberbramsegel sichtbar gewesen; bald stiegen seine Bramsegel über den Horizont herauf, dann die Marssegel, dann die Untersegel, und endlich tauchte das ganze Schiff auf, mit Leesegeln auf beiden Seiten, platt vor dem Winde und augenscheinlich mit außerordentlicher Schnelligkeit daherkommend.

Sämtliche Teleskope richteten sich jetzt auf den Fremden; man sah, wie er Voroberbramsegel und Bramsegel niederfierte, aufgeite, aber nicht festmachte. Darauf flatterte die französische Trikolore vom Flaggenknopf der Vorbramstenge, an der einzigen Stelle, wo sie von uns aus erkannt werden konnte, und nun auf einmal wußten wir,

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Friedrich Meister: Der Vampyr. Verlag Abel und Müller, Leipzig 1911, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Vampyr.pdf/34&oldid=- (Version vom 31.7.2018)