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Die Zuschauer brachen in ein betäubendes Beifallsgeschrei aus; der Fetischmann aber verschwand im Tempel, wahrscheinlich um sich von seiner Anstrengung zu erholen.

Bald aber erschien er wieder auf dem Schauplatz und entsendete seine vier Helfer in den Wald, von wo sie sehr bald wieder zurückkehrten, drei lange Stangen und eine Menge Lianenwerk mit sich bringend. Aus diesem Material stellten sie eine Art Hebezeug her, ähnlich dem, das an Bord der Schiffe gebraucht wird, um Lasten zu bewegen. Als sie damit fertig waren, stellten sie die dreibeinige Vorrichtung unmittelbar über dem Feuer auf, das jetzt nur noch aus einem großen Haufen glühender, rauchloser Kohlen bestand.

Das Ganze redete so deutlich, daß mich ein heftiger Schauer durchrieselte bei dem Gedanken, daß vielleicht mir die Feuerqual vorbehalten sei.

Wieder kam der Fetischmann auf uns zu. Er näherte sich auf den Fußspitzen, mit den schleichenden Bewegungen einer Katze. Zehn Schritt vor uns blieb er stehen, schwang seinen Stab, wiegte sich bald auf dem einen, bald auf dem andern Bein und kam dann langsam tänzelnd daher, jetzt den Stab gegen mich und dann wieder gegen Langfeld schwenkend.

„Malen Sie sich das Bild aus,“ wandte sich mein Gefährte lächelnd zu mir, „wie der Schuft jumpen würde, wenn der Bootsmann Kruse vom „Wolf“ jetzt unversehens achter ihm auftauchte und ihm ein Paar mit der neunschwänzigen Katze über das wackelnde Heck risse.“

Das war nun kein besonderer Witz, aber meiner überreizten Einbildung erschien dieses Bild unwiderstehlich komisch. Ich brach in ein unaufhaltsames, krampfhaftes Lachen aus, und das war’s, was Langfeld gewollt hatte. Die Augen des Priesters sprühten Wut, er sprang heran und versetzte mir mit seiner schmutzigen Hand einen Schlag auf den Mund; dann ging er weiter, um ein andres Opfer zu wählen.

Er hatte nicht lange zu suchen. Mein schwarzer Nebenmann war halbtot vor Angst und deshalb dem grausigen Geschick ohne weiteres verfallen. Man riß ihn vom Baum, warf ihn nieder und band ihm

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Friedrich Meister: Der Vampyr. Verlag Abel und Müller, Leipzig 1911, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Vampyr.pdf/80&oldid=- (Version vom 31.7.2018)