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die unter dem Einfluß eines magnetischen Feldes wie ein Strom positiver Elektrizität abgelenkt werden. Die Beta-Strahlen sind den Kathodenstrahlen wesensgleich; sie werden wie ein Strom negativ elektrischer Teilchen im magnetischen und elektrischen Felde abgelenkt. Die Gamma-Strahlen verhalten sich wie die Röntgenstrahlen. Sie folgen den Lockungen eines magnetischen Feldes nicht und zeigen dieselbe durchdringende Kraft wie die Röntgenstrahlen. Nachdem Ramsay in Gemeinschaft mit Soddy 1903 entdeckt hatte, daß aus der vom Radium gebildeten Emanation von selbst das Gas Helium entsteht, erkannte man in den Alpha-Strahlen elektrisch geladene Heliumatome, durch deren Abspaltung aus den Radiumatomen das Geheimnis des Radiums wenigstens teilweise entschleiert worden war. Raummangel verbietet, auf Einzelheiten weiter einzugehen.

Die Becquerellschen Beobachtungen der Uranstrahlen hatten zu den eben skizzierten wichtigen Entdeckungen den Anstoß gegeben. Sie hatten über die Entstehung und die Natur der Röntgenstrahlen keinen Aufschluß gebracht. Bald jedoch kam man zu der Erkenntnis, daß die Röntgenstrahlen dann entstehen, wenn Kathodenstrahlen in ihrem Laufe aufgehalten werden. So war in der Lenard-Röhre ein Platinrohr, in das das Aluminiumfenster eingesetzt war, die Ausgangsstelle der Röntgenstrahlen. In derselben Weise entstehen die Röntgenstrahlen auch in jeder gewöhnlichen Crootesschen Röhre dort, wo die Kathodenstrahlen auf die Glaswand fallen. Am eine kräftige Entwicklung von Röntgenstrahlen zu erzeugen, brachte man dann im Innern der Röhre ein Metallblech, z. B. ein Platinblech an, auf das die Kathodenstrahlen konzentriert fallen. Diese Anordnung ist auch noch heute beibehalten. Das Metallblech wird Antikathode genannt. Gleichzeitig mit der Entstehung der Röntgenstrahlen tritt eine Umwandlung eines Teiles der Energie der Kathodenstrahlen in Wärme ein; daher kommt die Antikathode beim Betrieb der Röntgenröhren mit starken elektrischen Energien zum Glühen; sie wird in den neuesten Röntgenröhren durch Wasserströme gekühlt. Daß die Kathodenstrahlen eine große Energiemenge mit sich führen, hatte schon Crookes erkannt; er hatte ein Entladungsrohr konstruiert, in dem die „strahlende Materie“, das sind die Kathodenstrahlen, ein kleines drehbares Flügelrad bewegt.

Braunsche Röhre.

Die Kathodenstrahlen werden vom magnetischen Felde wie ein Strom negativer Elektrizität abgelenkt. Daß die Kathodenstrahlen negative Elektrizität mit sich führen, hatte Lenard auch an den in der freien Luft sich ausbreitenden Kathodenstrahlen nachgewiesen, die einen in den Gang der Strahlen gebrachten, isoliert aufgestellten Körper negativ elektrisch machen. Die magnetische Ablenkung hat F. Braun 1898 zur Konstruktion der Braunschen Röhre benutzt; sie besteht aus einem Kathodenstrahlenrohr, in das ein enges Diaphragma eingesetzt ist, das nur ein schmales Kathodenstrahlenbündel hindurch läßt. Dieses fällt auf einen im Innern angebrachten Glimmerschirm, der mit fluoreszierender Masse überzogen ist. Das Kathodenstrahlenbündel erzeugt auf dem Schirm einen leuchtenden Fluoreszenzfleck. In einem magnetischen Felde wird das Kathodenstrahlenbündel abgelenkt, und infolgedessen ändert der Fleck seinen Platz; die Ablenkung hängt von der Richtung und Stärke des Magnetfeldes ab. In einem magnetischen Wechselfelde bewegt sich der leuchtende

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1281. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/152&oldid=- (Version vom 20.8.2021)