Seite:Die Edda (1876).djvu/245

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Anonym: Edda

Deine Söhne erschlugst   wie dir am Schlimmsten anstand.
Mir fügst du Leid auf Leid,   läßest mir nicht Ruh.


Gudrun.
83
Wohl erledigt’ ich lieber   des Lebens dich selber;

Schwer genug straft man nicht   solchen König.
Du vollbrachtest zuvor   beispiellose Unthat,
Die Welt weiß nicht   so wahnsinngen Graus.
Neuen Frevel fügtest du   zu dem vorigen heut,
Übtest arge Schande   beim eignen Leichenmal.


Atli.
84
Auf Scheitern sollst du brennen,   erst gesteinigt werden.

So wird dir zu Theil   wonach du trachtetest stäts.


Gudrun.
85
Sieh selber morgen   solches zu meiden.

Mich leitet schönrer Tod   in ein andres Licht. —

86
In einer Burg wohnten sie,   warfen sich Wuthblicke,

Schleuderten Flüche;   ward keiner froh mehr.

87
Groll wuchs im Niflungen:   auf Großthat sann er;

Er sagte Gudrunen,   grimm wär er Atlin.
Die Frau hatt im Sinn   was Högni erfuhr.
Sie rühmt’ ihn selig,   wenn er Rache nähme.
Da ward Atli gefällt,   unlange währt’ es:
Högnis Sohn erschlug ihn,   und Gudrun selbst.

88
Der Schnelle sprach   vom Schlaf erweckt,

Der Wunden bewust;   doch wollt er nicht Hülfe:
„Wer schlug Budlis Sohn?   Sagt mir die Wahrheit.
Nicht leicht verletzt’ er mich:   mein Leben ist hin.“


Gudrun.
89
Dir das zu hehlen ziemt   Grimhilds Erzeugter nicht:

Laß mich die Ursach sein,   daß dein Leben endet,
Und Högnis Sohn zumal,   daß Wunden dich ermatten.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 237. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/245&oldid=- (Version vom 31.7.2018)