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noch durch die Brandung zurückhalten ließen, und 5, 6, 10 Stunden gegen die Wellen kämpften, bevor sie zu dem in Not befindlichen Schiffe gelangten – Menschen, die jederzeit bereit wären, ihr Leben aufs Spiel zu setzen, um das anderer zu retten – mußte man an das Gefühl der Solidarität appellieren, den Geist des Opfermutes, Dinge, die sich nicht durch Tressen erkaufen ließen.

Es war also eine ganz spontane Bewegung, entsprossen der freien Vereinbarung und der individuellen Initiative. Hunderte von lokalen Gruppen bildeten sich sofort auf den Ruf dieser Männer längs der Küste. Die Männer, welche die Initiative ergriffen hatten, waren so klug, sich nicht als Lehrer aufzudrängen; sie suchten Belehrung und Aufklärung in den Fischerdörfern. Ein Lord sandte z. B. einem Küstendorf 20 000 Mark zum Bau eines Bootes. Das Geschenk wurde angenommen, aber man überließ es den Fischern und Seeleuten des Ortes die Wahl der Werft, die Bestimmung der Bauart.

Nicht in der Admiralität ließ man die Pläne zu den neuen Booten herstellen. – „Weil es von Wichtigkeit ist“ – lesen wir in dem Rapport der Assoziation – „daß die Rettungsmannschaften volles Vertrauen zu dem Fahrzeug haben, welches sie besteigen, so bemüht sich das Komitee ausdrücklich, den Booten die Gestalt und die Ausstattung zu geben, welche von den Rettungsmannschaften selbst gewünscht wird.“

Alles geschieht durch Freiwillige, die sich in Komitees oder lokalen Gruppen organisieren! Alles vollzieht sich durch gegenseitige Unterstützung auf dem Wege freier Vereinbarung! – O! diese Anarchisten! Auch haben sie keine Steuerpflichtigen, von denen sie etwas beitreiben konnten und doch verfügten sie schon Anfang der 1890er Jahre über 860 000 Mark, stammend – aus freiwilligen Beiträgen.

Und die Erfolge dieser Organisation?

Die Assoziation besaß im Jahre 1891 293 Rettungsboote. In diesem Jahre rettet sie 601 Schiffbrüchige und 33 Schiffe; seit ihrer Begründung hat sie 32 071 menschliche Wesen gerettet.

Im Jahre 1886 kamen drei Rettungsboote samt der Bemannung in den Wogen um; sofort kamen Hunderte von neuen Freiwilligen, die sich der Gesellschaft anschlossen und neue lokale Gruppen bildeten; die Folge war der Bau von 20 neuen Rettungsbooten.

Bemerken wir noch nebenbei, daß die Gesellschaft in jedem Jahre den Fischern und Seeleuten ausgezeichnete Barometer zu einem dreimal so geringen Preise, als ihr wirklicher Wert ist, liefert, daß sie weiterhin für eine Verbreitung meteorologischer Kenntnisse sorgt und die Interessierten über die plötzlichen, von den Gelehrten vorhergesehenen Witterungswechsel auf dem Laufenden erhält.

Wiederholen wir, daß die Hunderte von kleinen Komitees und lokalen Gruppen sich nicht in hierarchischer Form organisiert haben und sich einzig aus freiwilligen Rettungsmannschaften und Männern, die sich für dieses Werk interessieren, zusammensetzen. Das Zentral-Komitee, das nichts weiter als ein Zentrum für die Korrespondenz ist, maßt sich kein Einspruchsrecht an.

Empfohlene Zitierweise:
Pjotr Alexejewitsch Kropotkin, Bernhard Kampffmeyer (Übersetzer): Die Eroberung des Brotes. Der Syndikalist, Berlin 1919, Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Eroberung_des_Brotes.pdf/122&oldid=- (Version vom 3.6.2018)