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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)


Blätter und Blüthen.


Ein guter Bürger. Gerade vierzehn Jahre sind es jetzt, daß die „Gartenlaube“ (Jahrg. 1865, Nr. 23) den Kölner Classen-Kappelmann einen guten Bürger nannte. Am 26. Mai dieses Jahres ist der mannigfach um unsere öffentlichen Zustände verdiente Mann auf dem Gute Weyerhof bei Köln einer längeren Krankheit erlegen. Sein Leben war nach den verschiedensten Seiten hin ein ebenso thätiges, wie stürmisch bewegtes. Am zweiten Weihnachtsfeiertage 1816 in Sinzig in der Rheinprovinz als Sohn schlichter Eltern geboren, hatte er ein gutes Fortkommen in der von ihm ergriffenen kaufmännischen Laufbahn einzig seinem Talent und seiner guten Bildung und Führung zu danken. Sein in der Mitte der vierziger Jahre in Köln begründetes Wollwaarengeschäft schwang sich bald zu Ansehen und Bedeutung auf, und er selber erwarb sich durch sein leutseliges stets liebevolles Wesen, so wie durch seine freisinnigen Ueberzeugungen, sein rastloses Interesse für das staatliche und städtische Gemeinwohl die Achtung seiner Mitbürger in einem seltenen Grade. Er wurde zum Stadtverordneten gewählt und blieb in dieser Stellung achtundzwanzig Jahre bis zu seinem Tode. Lange Jahre ist er auch Mitglied der Handelskammer und des Handelsvereins gewesen. Die Stadt Köln verdankt seinem Eifer manche gute Einrichtung, unter Anderem die Aufhebung des einer englischen Gesellschaft verliehenen Gasmonopols und die Erbauung einer eigenen Gasfabrik, wodurch die Gaspreise für die Einwohner erheblich verringert wurden. Wo überhaupt in den letzten Jahrzehnten die Ehre und Selbstständigkeit des Bürgerthums gehoben, der politische und wirthschaftliche Fortschritt durch neue Anregungen und Schöpfungen gefördert werden sollte, da fand sich der durch feurige Beweglichkeit und volksthümliche Beredsamkeit ausgezeichnete Classen sicher mit an der Spitze der Unternehmungen. Bei seiner umfangreichen Thätigkeit fand er noch Zeit und Muße zu poetischer Beschäftigung. In den vierziger Jahren gab er unter dem Pseudonym „Johann von der Ahr“ eine Sammlung von Gedichten heraus, welche beifällig aufgenommen wurden. Später schrieb er auch einige praktische Broschüren, unter andern „Der kaufmännische Calculator“, ferner eine solche wider die Ducaten wie auch gegen das Gasmonopol.

Einen politischen Ruf über die Grenzen seines Wohnortes hinaus erlangte er erst in der sogenannten Conflictszeit der ersten sechsziger Jahre. Als entschiedener Liberaler unterstützte er damals mit Kraft und Muth den Kampf der parlamentarischen Opposition des preußischen Abgeordnetenhauses gegen die Regierung. Ein zu diesem Zwecke von ihm und seinen politischen Freunden den oppositionellen rheinisch-westfälischen Abgeordneten im Jahre 1863 gegebenes Ehrenfest verlief in der ruhigsten und glänzendsten Weise. Nicht so jenes zweite Demonstrationsfest, zu welchem die Kölner alle liberalen Mitglieder des Abgeordnetenhauses eingeladen hatten. Dieses Fest wurde bekanntlich von der Polizei verboten, und Classen-Kappelmann, der unter großem Aufsehen des gesammten Deutschlands diese Sache geführt und dem Eingriffe mit allen gesetzlichen Mitteln widerstanden hatte, verfügte sich auf inständiges Bitten seiner Freunde nach Verviers, da ihm zu Hause Verhaftung drohte. Man konnte ihm aber nichts anhaben. Als er indeß acht Tage später als Deputirter der Kölner Stadtverordnetenversammlung mit zweien seiner Collegen zur Enthüllung des Arndt-Denkmals in Bonn erschien, wurde er von dem Oberbürgermeister und ersten Polizeichef der Stadt bei dieser Feier nicht zugelassen.

Diese Abneigung der Regierungskreise gegen den unabhängig für seine Ueberzeugungen kämpfenden, aber nichts weniger als gefährlichen Manne erhöhte in jenen bewegten Tagen seine Popularität. Im Juli 1866 ward er in Köln fast einstimmig zum Abgeordneten gewählt, und also zu der höchsten Ehre berufen, deren ein Bürger durch das Vertrauen einer Bevölkerung gewürdigt werden kann. Nach Berlin kam er noch erhitzt von dem heftigen Streite, den er gegen die Macht nicht siegreich hatte bestehen können. Die reactionäre Seite des Hauses begrüßte ihn daher mit Hohnlächeln, und man glaubte vielleicht, den Neuling einschüchtern zu können. Dies mißlang, aber trotzdem war das Parlament nicht der geeignete Boden für den zum Massenführer und Volksredner berufenen Mann. Der Moment war ein kritischer, und mit vielen Genossen demokratischer Richtung konnte Classen nicht schnell den Uebergang von der Opposition zur Unterstützung einer Regierungspolitik finden, die soeben selber eine bedeutsame Wendung gemacht, große Hindernisse der Nationaleinigung aus dem Wege geräumt und sichtlich den Entschluß gefaßt hatte, dieselbe auf der Grundlage liberaler Institutionen in’s Werk zu setzen. Classen stimmte im Abgeordnetenhause noch mit Johann Jacoby gegen die Annexionen von 1866.

Im Jahre 1869 aber gehörte er schon als Präses der in Köln errichteten Gesellschaft „Verein“ an, welche die Liberalen aller Schattirungen in sich aufnahm. Und als sodann 1870 der Franzosenkrieg hereinbrach und die wichtigsten Hoffnungen der Nation so glänzend sich erfüllten, da erkannte er als Deutscher seine Pflicht, nicht länger abseits bei der kleinen Schaar der Mißvergnügten zu stehen. Mit seinem ganzen Herzen schloß er nunmehr der großen Verjüngungsbewegung seines Volkes sich an und kämpfte für die Regierung, die er damals Großes erwirken und Größeres anstreben sah. Die Folge war ein Bruch mit seinen bisherigen radicalen Freunden und daraus erwachsende Mißhelligkeit. Er betheiligte sich nun nur noch an den Wahlen, zog sich aber sonst vom politischen Leben zurück; um so eifriger gab er sich der Förderung gemeinnütziger Zwecke hin, bis Krankheit und Tod ihn diesem Wirken enthoben. Sein Name wird fortleben in der Geschichte der liberalen Kämpfe Deutschlands, und die Stadt Köln wird stets sein Andenken ehren als das eines ihrer besten Bürger, ihrer treuesten und opferfreudigsten Berather in guten und in bösen Tagen.




Tausendstelsecundenbilder. Die Photographie von Pferden, welche sich im schnellsten Laufe befinden, ist seit einer Reihe von Jahren von dem Photographen Muybridge in San Francisco zu einer Specialität erhoben worden. Unter Anderem nahm Muybridge im Juli 1877 Photographien des dem Eisenbahnkönig Stanford gehörigen Rennpferdes Occident auf, während es bei einem Wettlaufe in Sacramento betheiligt war und, wie gewöhnlich, den Sieg errang. Es erreichte während der Aufnahme, die aus einer Entfernung von vierzig Fuß senkrecht zur Rennbahn geschah, eine Geschwindigkeit von sechsunddreißig Fuß in der Secunde, und wie ein Blitz, ein dicht vorbeifliegender Vogel, eine abgeschossene Kanonenkugel oder ein sich drehendes Rad unbeweglich erscheint, so geschah es auch hier. Die Expositionszeit der photographischen Platte durfte nicht mehr als höchstens 1/1000 Secunde betragen, um das Pferd in einer bestimmten Stellung festzuhalten und ein unverwischtes Bild zu geben. In der That war auf diesem Tausendstelsecundenbilde selbst die Peitsche des Reiters deutlich erkennbar.

In neuerer Zeit hat Muybridge sich damit beschäftigt, eine Reihe von Aufnahmen trabender und galoppirender Pferde zu machen, welche die einzelnen auf einander folgenden Phasen der Körperbewegungen des in eiligem Laufe befindlichen Pferdes in ebenso vielen Einzelbildern festzuhalten. Da kamen nun, namentlich unter den Bildern des galoppirenden Pferdes, die unglaublichsten Positionen vor, unter Anderem eine, bei welcher das Pferd mit gegen den Bauch geschlagenen Vorder- und Hinterbeinen frei in der Luft schwebt. Man hat diese Bilder, welche sich auch auf der Pariser Weltausstellung befanden, vielfach angezweifelt, allein andererseits hat man den Beweis, daß diese unmöglich erscheinenden Stellungen wirklich den galoppirenden Pferden eigenthümlich sind, dadurch geführt, daß man die Einzelbilder in der richtigen Reihenfolge in einem sogenannten Zootrop verband, einer drehenden Trommel, deren Wandung so viele Gucklöcher enthält, wie Einzelbilder einer zusammengesetzten Bewegung die innere Wand auskleiden. In diesem Apparate, den man mit den verkleinerten Copien der Muybridge’schen Pferdebilder von der Expedition der Pariser Wochenschrift „L’ Illustration“ beziehen kann, setzt sich der natürlichste Trab oder Galopp eines Pferdes wieder aus den Einzelbildern zusammen.




Ein recht bedürftiger Invalide, der im Gensd’armerie-Winterdienst bei einem Rinderpestausbruche sich ein schweres chronisches Unterleibsleiden zuzog und als dienstunfähig auf eine Pension gesetzt wurde, die durchaus unzureichend ist, versichert uns: „Ich kann mit Wahrheit sagen, daß ich bettelarm bin.“ Er bittet um eine Stellung, die ihn in leichten Botendiensten beschäftigt und ihm wenigstens so viel einbringt, um ihn, sein Weib und seine fünf kleinen Kinder vor Hunger zu schützen. Kann diesem Manne geholfen werden?



Anfrage. Wo besteht eine Versorgungsanstalt, in welcher ältere erwerbsunfähige Personen aus guter Familie gegen eine bestimmte Summe ruhigen und, wenn auch anspruchslosen, so doch angenehmen lebenslänglichen Aufenthalt finden?



Kleiner Briefkasten.

H. J. in Hamburg. Das „Ausführliche Sachregister der ‚Gartenlaube’. Erster bis fünfzehnter Jahrgang (1853 bis 1867)“ ist noch in der Verlagshandlung von Ernst Keil vorräthig. Ein „Generalregister der ‚Gartenlaube’ – unter Ernst Keil’s Redaction vom 1. bis 25. Band – zur Benutzung der ‚Gartenlaube’ als Quelle der Belehrung in allen Zweigen der Wissenschaft, der Kunst und des industriellen Schaffens“ geht seiner Vollendung entgegen und wird demnächst zum Druck kommen. Selbstverständlich kündigen wir das Erscheinen desselben seiner Zeit an.

Abonnentin Gertrude. Goethe’s „Torquato Tasso“, erster Act, erster Auftritt.

S. G. B. Die Antwort auf Ihre Anfrage giebt Ihnen unser Artikel „Coca und Pentsao“ in Nr. 47 des Jahrgangs 1878.

Adrian von H. Wenden Sie sich an das Kriegsministerium!

Ch. D. in Gr. B. In einer der nächsten Nummern werden Sie den Gegenstand behandelt finden.

F. G. in Mainz. Wurde vernichtet.

Friedrich K. in Ratzeburg. Nein!


Verantwortlicher Redacteur Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 428. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_428.jpg&oldid=- (Version vom 18.2.2023)