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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

hat, haben wir einen Regulatorenbund gegründet, um die Missethäter zu strafen und auszutreiben.“

„Regulatoren – Ihr?“ schrie der Alte, „verdammte heillose Bande, die Ihr seid! Wer ist der Missethäter, ich, den Ihr hier wie feige Wölfe überfallen habt, oder Ihr?“

„Glaubst Du, mein Herz,“ sagte der Führer höhnisch, „wir lassen uns hier unsere Pferde und Neger ruhig stehlen, weil Ihr es für passend findet, jetzt eine Zeit lang die ruhigen und ehrbaren Farmer zu spielen? Hast Du die Dirne da etwa gutwillig herausgeben wollen? Gott bewahre, trotzen da noch auf ihre Gesetze, nicht wahr? Aber das Lynchgesetz ist das einzige, das Ihr von jetzt an sollt zu kosten bekommen, und daß wir es zu handhaben wissen, wollen wir Dir beweisen.“

Zwei der Burschen hatten sich indessen mit dem durch den Schlag betäubten Netley beschäftigt, der sich jetzt aber wieder erholte, mit der Hand über den wunden Kopf strich und dann das Blut betrachtete, das an seinen Fingern hing. Die Anderen plünderten unter der Zeit das Haus, aus dem sie mitnahmen, was ihnen des Mitnehmens werth schien. Jenkins’ Büchse und Messer und Kugeltasche, seiner Frau kleine Waffe, die wollenen Decken, und den kleinen Vorrath von Zucker, Kaffee und Mehl, den sie vorfanden, kurz Alles was sich im Walde brauchen ließ. Mit einer ganz anerkennungswerthen Geschicklichkeit und Schnelle stellten sie dabei aus den gefundenen Betttüchern und Kissenüberzügen Satteltaschen her, um die verschiedenen Dinge bequem auf die Pferde packen und transportiren zu können.

Nelly, die um Hülfe geschrieen hatte, als sie ihren Herrn kommen sah und von dem einen Buben zu Boden geschlagen war, hatte sich jetzt auch wieder erholt, doch mit schweigendem Entsetzen starrte sie auf die Mißhandlung des alten Mannes und zitterte vor Furcht, wenn sie daran dachte, daß sie von diesen entsetzlichen Menschen mit fortgeschleppt werden sollte.

„Wo ist Euer anderer Neger, Jenkins?“ frug diesen jetzt der Führer, der bis dahin nur die Arbeiten der Uebrigen überwacht hatte, ohne selber Theil daran zu nehmen.

„Sucht ihn,“ lautete die kurze drohende Antwort, „die Pest über Euch!“

„Wir wollen Dich schon zum Reden bringen, mein Schatz,“ lachte der Führer, „sind die Hickorystöcke da?“

„Hab’ schon dafür gesorgt,“ lachte der Eine, „gleich da drüben war eine ordentliche kleine Anpflanzung; wir hätten’s uns gar nicht bequemer wünschen können. Komm, Herzblättchen, die sollen Dich schon gesprächig machen.“

„Mich – mich laßt das thun,“ schrie da Netley, der erst jetzt seine volle Besinnung wieder erlangt zu haben schien. „Schlag um Schlag, mir hat die alte Bestie fast den Schädel zerhauen, ich will ihm jetzt die Rückzahlung auf die Schultern zeichnen, daß er sein Lebtag an mich denken soll.“

„Das ist recht,“ jubelte die Schaar, „aber gieb’s ihm ordentlich, Netley, daß wir ihm die amerikanische Flagge auf den Rücken malen; an den Dogwood mit ihm!“

„Habt keine Angst,“ rief der Bube, in wilder, ungeduldiger Hast nach den Stöcken greifend, während sich Einige von ihnen auf den alten Mann warfen und ihn zu dem nächsten kleinen Dogwoodbaum schleppten.

(Fortsetzung folgt.)




Das Meer im Glashause.[1]

Der Ocean auf dem Tische“, „das Marine-Aquarium“, „das Zoophyten-Haus im zoologischen Garten zu London“, unter welchen Titeln wir Deutschland zuerst durch die Gartenlaube[2] mit den Wundern der Meerestiefe bekannt machten, mit denen es zum Theil sofort enthustastische Freundschaft schloß, haben sich gleichwohl bei uns nicht eingebürgert, sondern sind vom großen Publicum wieder vergessen worden. Auch in England ist der Marine-Aquariums-Enthusiasmus mit seinen Tausenden von wunderbar belebten Krystall-Tempeln in den Putzzimmern der Reichen und Gebildeten ebenso ausgestorben, wie die pflanzlichen und thierpflanzlichen Bewohner darin.

In Deutschland hat es keine zoologische Gesellschaft, keine Direction eines zoologischen Gartens nur versucht, einen solchen neuen Tempel der Naturwissenschaft zu errichten, mit Ausnahme einer einzigen, der musterhaften in Hamburg. Und es ist zugleich eine wahre Freude, berichten zu können, daß der Marine-Aquariums-Tempel des zoologischen Gartens in Hamburg den Londoner in jeder Beziehung wesentlich übertrifft und als ein wahrer Triumph der Wissenschaft und Schönheit, der gesammelten Erfahrungen und praktischen Benutzung derselben anerkannt werden muß.

Das Hamburger-Meeres-Feenschloß wird der Zeit nach das vierte in der Welt sein (das dritte befindet sich, wenn ich nicht irre, in Havre), ist aber der Einrichtung nach entschieden das erste und Vorbild für alle andern, die sich nun wohl mit der Zeit einfinden werden. Es verdient deshalb genauere An- und Einsicht, wozu wir hiermit beitragen wollen. Die junge zoologische Gesellschaft, durch ihre Directoren und Leiter unstreitig eine der tüchtigsten, beschloß gleich zu Anfang, den in zoologischen Gärten vernachlässigten Wasser- und Meereslebensformen besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Der erste Präsident, Baron Ernst von Merck, unterstützte diese Absicht nach Kräften und vererbte sie dem jetzigen, H. A. Meyer, unter welchem der Plan zur Errichtung eines Zoophyten-Hauses im Sommer 1862 zum praktischen Anfang reifte. Der Kunsttempel, das Atelier für Ausstellung und Cultur aquatischer Lebensgebilde, war im April vorigen Jahres wunderbar vollendet und kann mit Recht als verwirklichte Wissenschaft aller während der letzten zwölf Jahre auf diesem Gebiete gemachten Erfahrungen bezeichnet werden. Alles ist gebaut und construirt und praktisch, wie künstlerisch gestaltet nach den bewährtesten Modellen und so bevölkert, daß die Wissenschaft die reichste Belehrung und das Volk die anziehendsten Wundergebilde des Meeres in den malerischsten Gruppen und der hellsten Beleuchtung auf die bequemste Weise genießen können. Der berühmte Chemiker Liebig rühmte bei einem Besuche die vollständigste und praktischste Einrichtung für Erhaltung des Gleichgewichts zwischen Pflanzen- und Thierleben.

Das Gebäude, genannt „Aquarien-Haus“, oder auch blos „Aquarium“, ist ungefähr hundert Fuß lang, vierzig breit und fünfundzwanzig hoch. Um die Erhaltung möglichst gleichmäßiger Temperatur zu erleichtern, ist es mit der untern Hälfte unter die Erdoberfläche gesenkt worden, so daß es von Weitem und außen allerdings keinen besondern architektonischen Eindruck macht. Es besteht aus einem Salon mit zwei Galerieen und zehn großen Behältern von Spiegelglas, einem nördlichen mit sechs kleinen, einem südlichen mit eben so viel und einem westlichen Raume mit einem großen Behälter, Zimmern mit Heizapparaten, Eingangs-Halle, bedecktem Porticus und Treppen. Die in Abbildung gegebene innere Ansicht des großen Salons in der Mitte mit den zehn Behältern an beiden Seiten reicht hin, um uns eine Vorstellung von dem Baue und der innern Einrichtung zu bilden.

Durch diese Behälter circuliren fortwährend 3500 Cubikfuß Seewasser und zwar so, daß sich etwa 1000 Cubikfuß stets in jenen befinden und das übrige Wasser als Reservoir (unter dem Laboratorium) und künstlich erneuertes Lebenselement dient, das immer neuen Zufluß gewährt, während ge- und verbrauchtes Wasser abfließt und künstlich wieder gereinigt und gesauerstofft wird. Dieses


  1. Neuerdings hat eine ebenfalls in Leipzig erscheinende illustrirte Zeitschrift einen Artikel über das Hamburger Aquarium veröffentlicht; nach dem competentesten Urtheile aber, dem des Custos jener Abtheilung des zoologischen Gartens selbst, ist nicht nur der Holzschnitt, der in dem erwähnten Blatte eine Anschauung des Aquariums gewähren sollte, im höchsten Grade incorrect in allen dargestellten Einzelheiten, ganz abgesehen davon, daß die Zeichnung auch in künstlerischer Beziehung hie und da zu wünschen übrig läßt, sondern auch der beigegebene Text in nachlässigster Weise aus einem Führer durch den Hamburger zoologischen Garten compilirt, so daß des Verfassers eigene Unkenntniß von der Sache an mehr als einer Stelle zu Tage tritt. – Bei dieser Gelegenheit wollen wir noch Eins bemerken. Obgleich nämlich gerade für das Aquarium die Hamburger zoologische Gesellschaft bedeutende Summen verausgabt und alle Anstrengungen aufgeboten hat, es so vollkommen wie möglich zu machen, so ist doch die Thatsache wahrhaft niederschlagend und demüthigend, daß es aller angewandten Mühe nicht hat gelingen wollen, Geschöpfe, die im Meere in so übergroßen Mengen vorhanden sind und leben, ohne daß ihnen irgendwelche Sorge und Pflege zu Theil wird, wie der Häring und die Makrele, nur einen einzigen Tag im Aquarium lebend zu erhalten. Wie wenig ist also der Mensch im Stande nachzuahmen, was die Natur mit Leichtigkeit vollbringt!
    D. Red.
  2. Verf. Gartenlaube Jahrgang 1855, Nr. 4, 28 und 38.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 388. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_388.jpg&oldid=- (Version vom 11.12.2022)