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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)


seines dortigen Aufenthaltes in allen möglichen todten und lebenden Sprachen, in Prosa und Poesie, verherrlichte. Dieses Buch enthielt viele Körner attischen Salzes; ich hätte es gern ausgeführt, aber die Pietät verhinderte es.

Das ist der Humor von der Sache; aber hinter demselben barg sich doch ein tiefer, ich möchte sagen, ein heiliger Ernst. Dank unsern Lehrern, ging ein Zug idealen Strebens durch einen großen Theil der heranwachsenden Jünglinge. Namen wie Peter, Steinhardt, Keil, Corssen, Koberstein, Jacobi, der Umarbeiter des ausgezeichneten Werkes von van Swinden, bürgen dafür, daß ihre Schüler eingeführt wurden in die Schätze des classischen Alterthums. Die sprachlichen Schönheiten der Alten und ihre Gedankenfülle wurden uns von den alterthumskundigen Führern gezeigt und zur Nachahmung empfohlen. So wenig Pforte darin einzigartig sein mag, so hat es doch in dem Quell des classischen Studiums, seinen Traditionen treu, bisher einen begründeten und von anderen Bildungsanstalten neidlos anerkannten Ruf behauptet. Eine Specialität in diesem Punkte hat Pforte in der ungewöhnlichen Pflege lateinischer und griechischer Metrik und vielfacher Anwendung derselben. Schon in Unter-Tertia begann das „Versemachen“. In den oberen Classen genügte es uns nicht, prosodisch richtig zusammengeleimte Verse zu schmieden, sondern wir hielten auf Eleganz, allerlei Wortspiele, Assonanzen, Alliterationen und dergleichen. Ich erinnere mich, daß wir in Ober-Secunda den ersten Gesang von „Hermann und Dorothea“ in lateinischen Versen wiederzugeben hatten, eine Aufgabe, die mir heute fast gewaltiger vorkommt als damals. Es giebt nun zwar Philologen, welche von diesem Versemachen nichts halten, andere dagegen erkennen – und mir scheint mit Recht – an, daß in dieser Uebung eine vortreffliche Gymnastik des Geistes enthalten sei. Ein bedeutender Philologe sagte mir einmal, daß man die Fertigkeit, in einer fremden Zunge zu reden, am besten beurtheilen könne daran, ob man in derselben zu rechnen verstehe. In den Geist einer Sprache, respective eines Volkes, aber dringe man am tiefsten durch das Verständniß seiner Dichter und durch deren Nachahmung.

Soviel ist gewiß, wir haben, mit wenigen Ausnahmen, mit Lust und Liebe und mit einigem Geschick der lateinischen Poesie obgelegen und entschiedene Förderung dadurch gemerkt. Aber nicht nur die Alten wurden bei uns cultivirt in ihrer Sprache, Geschichte und Geographie, auch unseres eigenen deutschen Volkes Sprache war Gegenstand liebevoller und eingehender Behandlung. Der gründliche Kenner des Alt- und Mittelhochdeutschen, Professor Koberstein, führte uns ein in die alt- und mitteldeutsche Grammatik und in die literarischen Schätze deutscher Vorzeit.

Häufig wird es von den der Verhältnisse Unkundigen der Pforte zum Vorwurf gemacht, daß sie über dem Sprachencultus der Realien vergesse. Aber man sehe nur die Programme an! Geschichte, Geographie, Mathematik, Physik galten als durchaus vollwiegende Unterrichtsgegenstände, und das Wissen in denselben war in Bezug auf Censuren und Versetzungen so wesentlich wie die vorigen. Ja, Pforte ging weiter als andere Schulen; es cultivirte das Können. Zeichnen, Singen, Turnen, Fechten, Tanzen, Schwimmen beförderten die Gymnastik des Leibes, Anstand in Haltung und Bewegung, Gesundheit, fröhliches Herz, persönlichen Muth.

Und welches sind nun die Belege dieser Worte? Die Liebe, Anhänglichkeit und Dankbarkeit der „Pförtner“ an ihre geistige Mutter. Diese Schüler sind nun zwar nicht alle Lichter geworden – wo wäre eine Anstalt, die solche Resultate zu erzielen vermöchte? – aber manche unter ihnen sind ihren Lehrern ebenbürtig geworden an Gelehrsamkeit und Ruf; etliche haben sie übertroffen.

Außer den als „Pförtnern“ überall bekannten Klopstock und Fichte nenne ich nur unsern Professor Keil, einst selbst Schüler in Pforte, den berühmten Lepsius, den Naturforscher Ehrenberg, den weiland Ministerpräsidenten Manteuffel und den trotz seiner Jugend in seiner Wissenschaft rühmlichst bekannten Astronomen Auwers, der sich übrigens nicht nur Wissenschaft in Pforte geholt hat, sondern auch seine Frau.

Noch Mancherlei, besonders Pförtnern als Erinnerung Liebes, könnte ich berichten. Doch genug für heute, ein andermal mehr.




Von der Dynastie „Cäsar“!


Wenn man sich den berühmten Cäsar, den Beherrscher Roms, vorstellte, wie er mit sechs Damen über eine Knüppelbarrière springt, so wäre dies gewiß ein hochkomischer Gegenstand. Etwas Anderes ist es aber, wenn damit der Hund Cäsar aus Waldheim in Sachsen gemeint ist, dem im vorigen Jahrgange der Gartenlaube (Nr. 14) Wort und Bild gewidmet waren und der dadurch, wie es scheint, zu einer nicht geringen Berühmtheit gelangt ist.

Mit dieser Berühmtheit hängt, um dies kurz zu erwähnen, auch die Entstehung des gegenwärtigen Bildes zusammen. Es sind dem Besitzer Cäsar’s, dem Herrn Bergmann, damals so viele Briefe zugekommen, welche Wünsche nach Hunden gleicher Race aussprachen, daß er sich entschloß, Hunde zu züchten, um die Eigenschaften Cäsar’s in möglichst vielen gleichschönen Exemplaren fortzupflanzen. Der Wunsch, von dieser Hundefamilie ein Bild zu besitzen, wie früher von Cäsar allein, rief mich wieder nach Waldheim. Eine Darstellung der ruhig daliegenden, sitzenden oder stehenden Hunde zu geben, hätte leicht langweilig werden können, so daß das Bild nur für den Besitzer und Hundekenner einiges Interesse gehabt hätte, eine Gruppirung mit Kindern oder einem hübschen Mädchen aber ist schon etwas verbraucht und hätte dem Künstler den Vorwurf der Ideenarmuth einbringen können, und so ging denn der Vorschlag desselben durch, die Hundegesellschaft in irgend einer lebendig bewegten Scene darzustellen, so daß das Bild auch von diesem Gesichtspunkte aus, also auch dem Nichtkenner Interesse erregen könnte. Ob dies gelungen, möge der freundliche Leser nach dem im Holzschnitte beigegebenen Bilde selbst entscheiden.

Um Wiederholungen zu vermeiden, muß ich Diejenigen, welche sich über Cäsar, der auf gegenwärtigem Bilde oben in der Mitte dargestellt ist, unterrichten wollen, bitten, im vorigen Jahrgange das Betreffende nachzulesen. Hier will ich zunächst erzählen, wie ich Alles fand, als ich in diesem Jahre meinen ersten Besuch in Waldheim machte.

Cäsar und Minka, die mir schon bekannte Hündin, wohnten noch, wie früher, in dem eigentlichen Hofe hinter dem Wohngebäude, dahingegen war der frühere Garten, welcher hinter dem Fabrikgebäude lag, rasirt und in einen Hundezwinger umgewandelt worden. An zwei Seiten, einer langen und einer Schmalseite, waren die einzelnen Räume für die Hündinnen angebracht, jeder innen mit einer, manchmal auch zwei Hütten versehen; an der Schmalseite waren dies gemauerte Stallräume. Fünf Parcellen waren von Hündinnen bewohnt, von denen zwei Junge hatten, und eine sechste Abtheilung diente vorläufig zur Aufbewahrung des Fleisches. Der übrige Raum war ein freier Hof.

Bei meinem ersten Eintritte wurden sofort sämmtliche Thüren der Hundewohnungen geöffnet, und da auch Cäsar und Minka aus dem vorderen Hofe gefolgt waren, so entfaltete sich nun ein lebendiges und höchst anziehendes Gewimmel schön gebauter und malerischfarbiger Hundegestalten. Alle bewillkommneten natürlich zuerst ihren Herrn durch allgemeines Andrängen und gewaltige Schweifwedelung, und Diesem folgten dann die einzelnen Begrüßungen untereinander, hier freudig, dort vielleicht das Gegentheil, wenn auch blos von einer Seite. Alles aber schaarte sich um Cäsar, nachdem die erste Freude vorüber war, ihn und nur ihn schien die ganze vierbeinige Gesellschaft ebenso zu verehren wie zu lieben. Geradezu wie küssend umdrängten sie mit ihren Köpfen den des herrlichen, sie sitzend noch überragenden Thieres, und indem immer mehrere ihm gleichzeitig die Schnauze beleckten, schien ein förmlicher Wettstreit um seinen Beifall sich zu entwickeln, mir ein vollständig neues Bild aus dem Thierleben. Cäsar seinerseits war dies offenbar gewohnt; er nahm die Huldigungen ruhig und mit Würde an und bot gerade dadurch einen anziehenden Gegensatz zu den lebhaft erregten

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 649. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_649.JPG&oldid=- (Version vom 7.1.2019)