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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

schwamm es zur Geliebten hin, umschwamm sie und liebkoste sie. Solches Liebesspiel dauerte über acht Tage, während welcher Zeit sich dieses Männchen als unumschränkter Herrscher im Bassin behauptete.

Es ist interessant zu beobachten, wie bei sämmtlichen Wirbelthieren, von den Fischen bis zum Menschen herauf, die Liebeswerbungen immer in derselben Weise erfolgen. „Erröthend folgt er ihren Spuren,“ das könnten dichtende Fische von ihres Gleichen ebenso gut singen, wenn sie die Sprache hätten, wie Schiller. Das Aufsuchen und Nachfolgen der Geliebten, das Werben durch allerlei Bewegungsspiele und Liebkosungen, die Eifersucht auf Nebenbuhler, die Vertreibung derselben und die Kämpfe dabei: all diese Scenen sind schon bei den Fischen, Lurchen, Reptilien, insbesondere aber bei den Vögeln und Säugethieren ganz allgemein, und der Mensch macht keine Ausnahme von dieser Regel.




Blätter und Blüthen.

Wilhelm Schröder. Wenn wir unseren Lesern berichten, daß Wilhelm Schröder in der ersten Octoberwoche in Leipzig gestorben, so werden nicht wenige fragen: wer war denn der Mann? Diese Alle erinnern wir an jenen Abend, wo sie am Familientische zum ersten Male das plattdeutsche Volksmärchen lasen, das mit den zuversichtlichen Worten beginnt:

„Disse Geschicht is lögenhaft to vertellen, Jungens, awer wahr is se doch. Denn mien Grootvader, van den ick se hew, plegg jümmer, wenn he se mi vortüerde, dabi to seggen: ‚Wahr mutt se doch sien, mien Söhn, anners kunn man se jo nich vertellen.‘“

Wie lauschte dann Alt und Jung, wenn nun im treuherzigen Tone der plattdeutschen Zunge das merkwürdige „Wettloopen twischen den Haasen un den Swinegel up de lütje Heide bi Buxtehude“ ihnen vorgeführt wurde! Wie folgten Alle dem Papa Swinegel so gern in seine Hütte, wo er mit aller hausväterlichen Würde des kleinen Bauern der Haidegegend auftritt und zugleich alle Bauernlist entwickelt, die hinter der ländlichen Einfalt so sicher versteckt ist! Und wenn nun daß Swinegelische Ehepaar den Sieg über den Hasen, „de up siene Wies’ en vörnehmer Herr was, und grausahm hochfahrtig dabi“, glücklich errungen hat und mit dem Wettpreise: „en goldne Lujedor un ’n Buddel Brannwien“ den Heimweg antritt, so beherzigen wir auch den ermahnenden Schluß des Erzählers:

„De Lehre awer uut disser Geschicht is, eerstens, dat Keener, un wenn he sick ook noch so vörnehm dücht, sick sall bikommen laten, over’n geringen Mann sich lustig to maken, un wöör’t ook man ’n Swinegel; un tweetens, dat et gerahden is, wenn Eener freet, dat he sick ’ne Fro uut sienem Stande nimmt, un de jüst so uutsüht, as he sülvst. Wer also en Swinegel is, de mutt tosehn, dat siene Fro ook en Swinegel is; un so wieder!“

Und der Dichter dieses Volksmärchens ist Wilhelm Schröder. Freilich ist es wohl von Tausenden gelesen worden, ohne daß sie den Namen des Verfassers dabei erfahren hätten, denn es gehört zu jenen glücklichen Griffen in der Volksdichtung, die so rasch zum Gemeingut werden, daß, wie bei unzähligen Volksliedern, Märchen und Sagen, der Name des Verfassers darüber verloren geht. Wir aber wollen das Recht unseres Volksdichters wahren und seinen Namen mit seinem gelungensten Märchen untrennbar verbinden. Schröder hat dasselbe in seinem „Hannöverischen Volksblatt“ (Jahrg.1840, Nr. 51) zum ersten Male drucken lassen; Firmenich nahm es in „Germaniens Völkerstimmen“ (Bd. 1. S. 210) mit der Anmerkung: „Erzählt von W. Schröder“ auf, und in Grimm’s Märchenbüchern fand es endlich die weiteste Verbreitung, wurde ins Holländische, Dänische, Schwedische, ja sogar in’s Französische und Russische übersetzt und in Deutschland so oft nachgedruckt, daß sein Verfasser, selbst beim geringsten Honorar, hätte ein wohlhabender Mann werden müssen, wenn man überhaupt noch an ihn gedacht hätte.

Wir haben ein Dichterloos von der altgewohnten Art vor uns, wenn wir einen Blick auf W. Schröder’s Lebensgang werfen. Wilhelm Schröder wurde am 23. Juli 1808 in Oldendorf bei Stade geboren. Sein Vater war der Schullehrer des Orts, ein Mann von entschiedenem Patriotismus und in dieser Tugend des Vorbild des Sohnes. A1s im Jahre 1813 im Königreich Westfalen der Landsturm gegen die Franzosen auftrat, stand der Vater Schröder mit an der Spitze dieser kühnen Bewegung in seiner Gegend. Das augenblickliche Mißlingen desselben brachte ihn in die äußerste Gefahr. Er war bereits zum Tode verurtheilt, wurde jedoch glücklich vor der Füsilirung gerettet. Den Sohn hatte er zu einer wissenschaftlichen Laufbahn bestimmt. Er erschwang die Mittel, ihm den Besuch des Gymnasiums in Stade und dann den der Universität Leipzig zu ermöglichen. Leider schied er aus dem Leben, als Wilhelm noch in der Mitte seines Studiums der Philologie und Philosophie stand, und so rief das Schicksal schon dem Jüngling das „Selbst ist der Mann“ zu. Durch literarische Arbeiten und Unterrichtertheilen erwarb Schröder das Nöthige; auch gewann er sich dankbare Anerkennung durch den Muth, mit welchem er in den Leipziger Unruhen während der Nacht vom 4. September 1830 durch seine entschlossene Ansprache an einen Volkshaufen, der gegen das berühmte F. A. Brockhaus’sche Geschäftsgebäude anstürmte, die Ruhe herstellte. Auch Männer wie Richard Wagner, Osw. Marbach, Otto Wigand u. A. wurden in jener Zeit seine Freunde.

Mit guten Kenntnissen ausgerüstet, ging er 1837 nach Hannover. wo er im Jahre 1840 das oben genannte „Hannöverische Volksblatt“ begründete. Nicht blos den Patriotismus, auch den Lehrtrieb hatte er vom Vater geerbt: sein Ziel war die Belehrung des Volks durch die Schrift. Zunächst hatte er allerdings das Volk seiner engeren Heimath im Auge, aber sein sehender Blick schweifte schon höher, und als die höchste Aufgabe schwebte ihm die des deutschen Volksschriftstellers vor. Sein Unternehmen war vom Glück begünstigt, seine Zeitschrift fand Anklang und wurde zugleich für ihn der Grund und Boden eines sicheren Erwerbs, einer angesehenen Lebensstellung.

Da kam das Unglück mit zwei Schlägen über ihn: 1854 starb seine Gattin, und das Jahr 1866 zertrümmerte ihm das Glück des Lebens, indem es ihm Hab und Gut für immer nahm. Offen und mannhaft für Preußen eintretend, verlor er die Mehrzahl seiner Zeitungsleser; das Blatt und mit ihm seine Erwerbsquelle ging zu Grunde, nach und nach mußte Schröder Haus und Hof und zuletzt seine werthvolle Bibliothek verkaufen und den heimischen Boden verlassen. Vergebens wartete er in Berlin auf irgend eine Anstellung, die ihn für seine Verluste hätte entschädigen können. Der alternde Mann war auf seine Feder angewiesen und hat, als „Pflüger mit dem Geiste“, einen schweren Lebensabend fortgeführt, bis seine letzte Nacht ihm endlich Ruhe und Frieden wiederbrachte. Er starb in Leipzig, bis zum letzten Athemzuge von seinem lieben Kinde, seiner einzigen Tochter Johanna, mit aufopfernder Liebe gepflegt, am 4. October 1878. Am Morgen des 8. geleiteten zwei seiner Söhne und ein kleiner Zug treuer Freunde und Verehrer den alten wackeren Kämpfer zu Grabe.

Kommen wir auf sein Wirken und Schaffen zurück, so müssen wir neben seinen plattdeutschen Werken auch seiner dramatischen gedenken. Die letzten plattdeutschen Schriften Wilhelm Schröders sind in einer Gesammtausgabe in fünf Bändchen bei Lipperheide in Berlin 1871 erschienen, einzelne Bändchen bereits in zweiter Auflage. Sie sind der Beachtung der Freunde plattdeutscher Dichtung werth und geeignet, noch viele Menschen zu erfreuen. Auch ein „Plattdeutscher Sprüchwörterschatz“ ist von ihm herausgegeben (Leipzig, 1874). – Mit seinen dramatischen Werken machte er den ehrenwerthen Versuch, Bilder aus einer erhabenen Zeit der Studentenwelt durch diese selbst auf die Bühne zu bringen, und der große und edle Theodor Döring war es, der dieses Unternehmen durch sein empfehlendes Wort wirksam unterstützte.

Seine Mahnung an die Studenten von Berlin: „Durch Ihre Aufführung für ein Reuter-Denkmal haben Sie Löbliches vollbracht, aber Sie könnten noch Löblicheres thun, wenn Sie dazu beitragen, den Lebensabend eines noch unter uns wirkenden, verdienten Schriftstellerveteranen zu zieren und zu sichern“ fand die würdigste Aufnahme. Schröder’s beide vaterländische Schauspiele: „Studenten und Lützower“ und „Eine Tochter Hamburgs“, jenes Bilder aus der Zeit der Befreiungskriege, dieses aus der deutschen Bewegung in Folge der Julirevolution darstellend, sind in Berlin, Hannover, Bremen, Jena, Halle, Greifswald, Leipzig, Breslau und anderen Orten zur Aufführung gekommen und haben es wohl verdient, daß auch in der Studentenwelt der Name „Wilhelm Schröder“ in frischer dankbarer Erinnerung fortlebt. Mit der Veröffentlichung seines Bildnisses, wie es die letzten Jahre des greisen Mannes zeigten, hat die „Illustrirte Zeitung“ (1876, 5. Februar) noch den Lebenden vor zwei Jahren erfreut. F. H f m.




Seltsames Phänomen aus dem Leben der Wandervögel. „Bald nach meiner Ankunft in Kairo,“ schreibt uns Adolf Ebeling,[1] „begrüßte ich unter den Vögeln, die ich im Palmengarten unseres Hôtels bemerkte, verschiedene alte Bekannte aus Deutschland. Zuerst natürlich den Spatz, den frechen Proletarier … Socialdemokraten hätte ich beinahe gesagt, weil heutzutage alle Welt dieses böse Wort im Munde führt; er schien mir sogar im Pharaonenlande noch unverschämter zu sein, denn er flog ungenirt auf unsern Frühstückstisch und holte sich Krumen und Brocken von jedem unbewachten Teller. Sonst ist aber nichts Besonderes von ihm zu erzählen. Nach den Spatzen kamen die Schwalben. Diese freundlichen Vögel sind schon poetischer, und es war uns immer wie ein Heimathgruß, wenn wir sie, noch dazu im December und Januar, durch die krystallklare, lichtblaue Luft hin- und herschießen sahen oder sie früh Morgens in den blühenden Nil-Akazien zwitschern hörten. Aber auch sie boten uns keinen Stoff zu besonderen Beobachtungen. Diese wendeten wir dafür den Bachstelzen zu, und zwar zunächst deshalb, weil uns ihre Anwesenheit im Morgenlande sehr überraschte, denn wir wußten damals noch nicht, daß auch die Bachstelzen Meereszugvögel sind, sondern meinten, wie übrigens auch viele von ihnen thun, sie

  1. Aus einem noch ungedruckten „Aegyptischen Tagebuche“.
    Bei dieser Gelegenheit theilen wir unsern Lesern mit, daß von demselben Verfasser, der sich bereits früher durch seine „Bilder aus Paris“ einen so großen und dankbaren Leserkreis, namentlich in der Frauenwelt erworben hat, soeben ein Werk über Aegypten unter dem Titel „Bilder aus Kairo“ erschienen ist. Die „Gartenlaube“ zählt den Verfasser schon seit längeren Jahren zu ihren Mitarbeitern und brachte von ihm auch schon mehrfach interessante Schilderungen aus dem Pharaonenlande und, speciell aus der märchenhaften Khalifenstadt. Die „Bilder aus Kairo“ sind sehr ansprechend und gut geschrieben, ganz in der bekannten Ebeling’schen Manier, voll von kleinen novellistischen und humoristischen Episoden und dabei überaus decent, sodaß wir dieselben aus voller Ueberzeugung als, ein wirklich gutes Buch empfehlen können. D. Red.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 703. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_703.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)