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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

in Anspruch nahm, habe ich die gleichfalls erschöpften Leute nur mit dem Revolver in der Hand zu ihrer Pflicht anhalten können.

Früh um vier Uhr erreichten wir die Hütten auf der Südostseite, welche wir uns für den dortigen Aufenthalt seinerzeit gebaut und mit einer Menge Vorräthen unbewacht zurück gelassen hatten, als wir den Streifzug nach dem südwestlichen Theil angetreten. Dort fand ich Obdach, Verbandzeug, bessere Nahrung, vor Allem die nöthige Ruhe. Vierzehn Tage hatte ich, mehr durch die erlittenen Contusionen, als durch die erhaltenen Wunden, zu leiden. Die Schmerzen in der Brust verblieben am längsten. Ziemlich ein Vierteljahr jedoch war ich auf mein Lager gebannt, und als ich dasselbe verließ, ging ich noch vierzehn Tage an selbstgefertigter Krücke nebst Stock. Am Ende dieser Zeit war trotz des großen Vorraths an Lebensmitteln, die ich für mich und meine Leute mitgenommen hatte, Schmalhans Küchenmeister geworden. Am meisten hatte ich durch die Langeweile und die Muskitos zu leiden, obschon ich mich stets beschäftigte und mir unausgesetzt diese Plagegeister fortwedeln ließ. Meine Leute haben sich während der ganzen Zeit musterhaft betragen. Es waren überhaupt die besten von den Vielen, welche bisher in meinen Diensten standen.

Bevor ich zum Schlusse eile, muß ich noch eines äußerst scherzhaften Vorfalls gedenken, welcher wenigstens auf einige Tage in die trüben Stunden dieser ewig langen Zeit ein unterhaltendes Intermezzo brachte.

Durch die vier Comi, die wider ihren Willen mir bei dem beschwerlichen Transport Hülfe leisten mußten, schließlich jedoch noch als Freunde von mir schieden, war die Kunde von diesem Büffelkampf verbreitet worden.

Mehrere Male erhielt ich, dadurch veranlaßt, wenn auch keine Condolenzvisiten, so doch Besuche aus Neugierde und zum Zwecke purer Bettelei von Comileuten. Unter Anderen stellte sich ein Häuptling mit großer Begleitung ein. Derselbe, immer der Unverschämteste unter der Bande, peinigte mich unausgesetzt mit Forderungen und verlangte von mir, den Fetisch zu sehen, welchen ich bei solchen Gelegenheiten mit mir führe. Ich erwiderte ihm, der weiße Mann besitze keine solche. Der Fetisch derselben bestände in dem Verstand, dem Muthe und der Geistesgegenwart. Dies war ihm jedoch nicht einleuchtend, und er glaubte nur mehr denn je, daß ich einen besitze. Der Plackereien müde, wollte ich ihn schon verdrießlich zum Fortgehen anweisen, als mir der Gedanke kam, ihn für seine bodenlose Unverschämtheit auf eine ganz besondere Weise zu bestrafen. Zu meinem Dolmetscher, einem Orungu, der von seinem Knabenalter an Steward in englischen Factoreien war, sagte ich: „Jacob, Du mußt nicht lachen über das, was ich zu thun beabsichtige. Du machst den King sonst stutzig und störst mein Vergnügen. Bleibe daher ernsthaft! Gieb mir indeß meine kleine Medicinkiste!“

Als ich dieselbe in Empfang genommen, griff ich ein Fläschchen mit Senfäther heraus, hielt dieses dem Comichef hin und sagte: „Dies ist mein Fetisch.“

Ungläubig schüttelte der Schwarze den Kopf. Als aber mein Dolmetsch ihm dies, wenn auch mit einem schalkhaften Zug, ernsthaft bekräftigte, wurde er in seinem Unglauben wankend, um so mehr, als ich ihm plausibel machte: „Wir Weißen haben natürlich eine ganz andere und viel bessere Art Fetisch, wie Ihr schwarzen Leute.“ Da wurde er denn ganz Auge und Ohr und fragte: „Trägst Du das Fläschchen bei Dir, und warum hat Dein guter Fetisch zugegeben, daß Du verwundet wurdest?“

„Nein,“ entgegnete ich, „das ganze Fläschchen trage ich nicht bei mir, sondern reibe mir nur von der Flüssigkeit des guten Gottes Eviva etwas auf die Haut. Dies genügt dann, für einen Monat mich gegen alle Gefahren zu schützen. Man muß aber ein guter Mensch sein; sonst brennt der Fetisch auf der Haut, ja er brennt schon beim Oeffnen des Glasstöpsels in den Augen.“

Mit der Unverschämtheit der Eingeborenen verlangte er nun das ganze Fläschchen zum Geschenk. Ob einer solchen Forderung stellte ich mich ganz entrüstet und rief ihm zu: „Clear out (gehe fort)!“

Als er nun sah, daß er das Fläschchen nicht ganz in Besitz bekam, bat er mich, ihm für einen Monat etwas einzureiben, aber auch dagegen sträubte ich mich, indem ich vorgab, selbst nicht mehr viel zu haben, wie er ja selbst sehe. Er ließ aber nicht nach, bis ich endlich, immer noch widerstrebend, mich unter der Bedingung: „Dafür aber müsse er mir für meine Leute Maniokmehl herbeischaffen,“ dazu bereit erklärte.

Nochmals wiederholte ich ihm, daß er bei der Procedur die Augen schließen müsse, widrigenfalls der in der Flasche verborgene Geist ihm in den geöffneten Augen brenne, ebenso würde die in der Flüssigkeit verborgene Kraft ihn, sofern er ein böser Mensch wäre, je nach seinen begangenen Sünden auf der Haut brennen. Hierin könne ich jedoch nichts im Voraus sagen, da ich seine Eigenschaften nicht kenne. Sein schlechtes Gewissen machte ihn wohl wieder bedenklich. Mein schlauer Jacob beschwichtigte ihn aber dadurch, daß er ihm mittheilte: „Es brennt nur ein klein wenig. Mein Master hat mir schon mehrere Male, wenn wir auf Njargu- und Niari- (Elephanten und Büffel) Jagd gingen, davon eingerieben.“ Sodann log er ihm noch mancherlei unglaubliche Dinge vor, die der Fetisch des weißen Mannes bei ihm bewirkt habe. Der Comichef war gefangen.

Er hielt mir, indem er niederknieete, seinen entblößten Rücken hin. Ich tränkte etwas Baumwolle unter Zukneifen der Augen tüchtig, etwa mit dem dritten Theile des Senfäthers, und rieb, nachdem ich das Fläschchen durch Jacob rasch wieder hatte schließen lassen, dem armen Opfer, so rasch ich im Stande war, die ganz gehörige Partie auf den breiten Rücken. Auf einmal fing er an zu brüllen: „Amani, amani tangani, mia pieni ogoni!“ (Hör’ auf, laß nach, Weißer! Es brennt wie Feuer.“). Damit riß er, wie von Taranteln gestochen, auf Nimmerwiedersehen aus, und ich war einen unverschämten Plagegeist auf gute Manier los. Meine Leute konnten sich vor übergroßer Lustigkeit gar nicht beruhigen; auch bot ihnen dieser Zwischenfall längere Zeit Stoff zur Heiterkeit.

Hugo von Koppenfels.




Literaturbriefe an eine Dame.

Von Rudolf von Gottschall.

XXI.

Ich weiß nicht, verehrte Freundin, ob Sie in den Herbstmonaten, wenn die Saison sich dem Christfest zuneigt, in einem Buchladen jene Kunstgewerbe-Ausstellung eleganter Einbände gemustert haben, hinter denen sich die bescheidene Lyrik der Gegenwart verbirgt. Und gewiß, sie hat alle Ursache bescheiden zu sein; denn wer kümmert sich um sie? In den Salons ist von ihr nicht mehr die Rede; da spricht man nur von den Feuilletons dieses oder jenes Schmock, der „lauter Brillanten“ schreibt, von neuen Theaterstücken „hochbegabter Dichter“, die im Stil Kotzebue’s und Iffland’s schaffen, oder höchstens noch von einem Roman, welchen gelesen zu haben zur Mode des Tages gehört. Und wie selten ist in Feuilletons der politischen Zeitungen von einem Lyriker die Rede!

Was soll ein harmloser Lyriker in einer sensationsbedürftigen Zeit? Daß die Lyrik das Auge der Dichtung sei, gilt ja längst für eine Wahrheit, die in die ästhetische Rumpelkammer gehört; man lacht über die Behauptung, daß keiner ein hervorragender Dichter sein könne, der nicht eine lyrische Ader habe; die Berufung auf die griechischen Trauerspieldichter, auf Shakespeare und Schiller wird verworfen. Die arme Lyrik ist als eine überflüssige Schönrednerin in den Bann gethan; sie braucht ja viel Worte, um das zu sagen, was ein anderer Mensch, den nicht der göttliche Wahnsinn des Plato erfaßt hat, weit kürzer auszudrücken weiß, und wir leben in einer Zeit, in welcher vor allem der Spruch gilt: Time is money.

Der Sortimentsbuchhändler wird Ihnen, verehrte Freundin, wenn Sie sich nach eleganten Christgeschenken umsehen, gewiß außer den Albums zuerst verschiedene poetische Anthologien zeigen. Wie der Goethe’sche Homunculus die Schönen, so liebt das deutsche Publicum die Dichter „im Plural“ und kauft sie gern en masse; in einer Auslese und Sammlung ist ihrer immer eine stattliche Zahl beisammen. Dann wird Ihnen der Buchhändler eine Zahl

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 774. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_774.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)