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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)


ach, jetzt könnte ich fast meines Glückes vergessen über all das Leid, das über mich gekommen ist. Ach, warum habt Ihr mir das gethan?“

Er schloß sein Kind in den Arm und küßte es tief bewegt. Käthe weinte jetzt an seinem Herzen, und er störte sie mit keinem Worte in dem, was ihr Erleichterung sein mußte.

Endlich hob sie wieder den Kopf und trocknete die Thränen.

„Sieh, Vater,“ begann sie wieder, und je länger sie sprach, um so mehr trat die frühere Herbigkeit auf ihrem Gesicht und in dem Ton ihrer Stimme wieder hervor. „Max wußte es erst selbst nicht, daß ich seine Cousine bin. Seine Eltern leben in Berlin, und er hatte ihnen nichts von mir geschrieben; es geschah ja erst vorgestern, daß wir unsere Liebe uns gestanden. Da, gestern Nachmittag, eilt er zu mir und sagt, daß ihn am Morgen seine Großmutter, von Wildbad kommend, wo sie zur Cur gewesen, auf der Durchreise besucht habe, daß er ihr von seiner Liebe zu mir erzählt, und als er Katharina Heine genannt, habe sie stürmisch verlangt, mich zu sehen, da ich ihre Enkelin sein müsse. Ich war sehr verwundert über das, was ich hörte, und bezweifelte die Richtigkeit dieser Annahme; denn ich wußte ja von keiner Großmutter, die mir noch lebe, und die ich bisher für meine Mutter gehalten, hieß ja Constanze Dorn und nicht Luise Reinhard, wie er mir sagte. Aber ich ging mit ihm, um seine Großmutter zu begrüßen, und da erfuhr ich von der guten alten Frau, die mich leidenschaftlich und mit tausend heißen Thränen empfing, daß ihre jüngste Tochter, der ich wunderbar ähnele, meine Mutter gewesen sei, die gestorben, als sie mir das Leben gegeben, und daß sie stets vor mir verleugnet worden sei, damit ich nur jene Andere als meine Mutter liebe. So sehr die Großmutter darnach verlangt habe, ihre Enkelin zu sehen, sei es ihr doch nicht gewährt worden, und ich habe nie von ihr wissen dürfen, damit nur Jene mich allein besitzen konne. O Vater, ist das nicht grausam, nicht schlecht an mir gehandelt? Und da hat, ob dieser Lüge und Ungerechtigkeit, alle Liebe in mir sich in Zorn und Haß gegen Jene gewandelt, und ich wollte, ich brauchte sie nie, nie wieder zu sehen.“

Ihr zartes Gesicht hatte sich beim Sprechen lebhaft geröthet, und die feinen Augenbrauen zogen sich finster zusammen. Es lag eine so gewaltige Erregung, eine so zornige Empörung in jeder ihrer Mienen, in dem trotzigen Zucken der Lippen und in dem tiefen bebenden Klange ihrer Stimme, daß Heine erschrocken sein Kind betrachtete, das er niemals so erregt gesehen.

Wenn er auch immer sich vor dem Moment gefürchtet, der einmal die an ihr begangene Täuschung offenbaren müsse, so tief, so furchtbar hatte er sich den Eindruck nicht gedacht, welchen die schmerzliche Entdeckung auf Katharina üben könne; denn er hatte auf die große Liebe gebaut, die sie stets für seine Frau empfunden. Dabei that ihm seine Frau so leid wie seine Tochter, ja Erstere fast noch mehr; denn sie, die Kinderlose, liebte Käthchen so zärtlich wie ihr eigenes Kind und hatte sich ihr in nie mangelnder Aufopferung und treuer Liebe stets als echte Mutter bewiesen.

Er raffte sich endlich gewaltsam auf von der tiefen Erschütterung, um zu versuchen, in seiner Tochter ein versöhnliches Empfinden zu wecken, bevor sie mit der Stiefmutter wieder zusammen traf.

„Käthe, liebes Kind, es ist nicht zu leugnen, daß es ein Unrecht war, Dich bis jetzt in dieser Täuschung zu lassen,“ sagte er in begütigendem Tone. „Aber höre zuvor die Gründe, weshalb es so geschehen, ehe Du in dieser harten Weise darüber urtheilst. Sieh, Kind, als der Himmel Dich uns geschenkt hatte, da war zur Pflege Deiner Mutter deren liebste Freundin, Constanze Dorn, zu uns geeilt. Ich besaß damals noch kein eigenes Gut, sondern hatte in Schlesien eins in Pacht genommen, das ich bewirthschaftete. Deine gute Mutter starb wenige Tage nach Deiner Geburt – sie ließ mich in Verzweiflung zurück; ich liebte sie so innig und stand nun einsam, unglücklich, rathlos da mit Dir, einem zarten hinfälligen Kindchen. Kein Verwandter, der mir in meiner Vereinsamung hätte beistehen können! Aber auch von Deiner Mutter Seite konnte Niemand mir helfen; sie hatte nur noch einen viel älteren Bruder, der verheirathet war – Du weißt: den Vater dessen, der Dir soeben näher getreten ist. Deine Großmutter aber war immer leidend und konnte weder ihren Mann verlassen, um zu mir zu kommen, noch Dich zu sich nehmen. Zu letzterem hätte ich mich auch nie entschlossen, Du warst ja Alles, was mir von Deiner Mutter geblieben, und ich konnte Dich nicht lassen."

Er schwieg einen Augenblick in tiefer Bewegung, um dann gefaßt fortzufahren. „Aber wie sollte ich nun für Dich sorgen? Im Anfang war zum Glück Constanze da und pflegte Dich von Deinem ersten Athemzuge an. Auf mein Bitten blieb sie eine Zeit lang bei mir, obgleich ihre Mutter drängte, sie solle nun heimkehren. Als sie gegangen war, reihte sich Elend an Elend. Du warst ein flackerndes Lebensflämmchen, schwächlich und kränklich, und der Arzt erklärte, daß nur die sorgsamste Pflege Dich, mein Einziges, uns erhalten könne – o Kind, es war schwer für einen einsamen Mann.“

„Armer Vater!“ unterbrach ihn Käthe und drückte ihm zärtlich die Hand.

(Schluß folgt.)




Blätter und Blüthen.

Für die Wittwe Friedrich Fröbel’s! Ueberall, wo für eine gesunde Erziehung der Jugend freier Sinn und warme Liebe vorhanden sind, werden heute Vorbereitungen getroffen, um das nahende hundertjährige Jubiläum der Geburt Friedrich Fröbel’s in würdigster Weise zu feiern.

Bei solchen Festen, welche in dem lautersten Dankbarkeitsgefühle ihren Ursprung finden, ist es eine schöne Sitte, nicht nur den Todten zu rühmen, sondern auch Derer zu gedenken, die der Gefeierte lieb hatte und die ihm bei Erfüllung seiner schwierigen Plichten treu und aufopferungsvoll zur Seite standen. In diesem Sinne muß auch der nahende Jubeltag der Fröbel’schen Idee begangen werden.

Der Mann, welcher der deutschen Jugend gelebt und für diese mit so vieler Aufopferung gewirkt hat, starb ohne ein Vermögen zu hinterlassen. Der Lehrer der künftigen deutschen Geschlechter starb, ohne eine Pensionsberechtigung für seine Wittwe bei irgend einer der vielen Regierungen Deutschlands erlangt zu haben.

Und die Wittwe Fröbel’s weilt noch unter den Lebenden.

Viele Jahre nach dem Tode seiner ersten Gemahlin, schon am Abend seines thatenreichen Lebens suchte Fröbel nach einer treuen Gefährtin, mit deren Hülfe er den Samen seiner Lehren in die Gemüther der ihm immer zahlreicher zuströmenden weiblichen Zöglinge auszustreuen vermöchte. Diese ersehnte Gehülfin fand er in einer seiner eifrigsten und treuesten Schülerinnen, Fräulein Louise Levin. Nach dem Tode Fröbel’s wirkte Louise Fröbel unter Middendorf’s Leitung eine kurze Zeit in Keilhau und wandte sich, als auch dieser aus dem Leben schied, erst nach Dresden und dann nach Hamburg. Hier ist sie seit 1854 unausgesetzt für die Fröbel’sche Sache thätig, gegenwärtig in dem hohen Alter von siebenundsechszig Jahren stehend.

Es ist gerecht und billig, daß der Staat sich der Hinterlassenen des einfachsten Dorfschullehrers annimmt. Um so auffallender aber muß es erscheinen, daß die Wittwe des Lehrers Friedrich Fröbel diese gerechte Vergünstigung nicht genießt – oder sollen wir sagen: es ist leicht erklärlich, da Fröbel nicht im Dienste einer Regierung, sondern in dem mühevolleren des deutschen Volkes stand. Das deutsche Volk hat daher die Pflicht, sich der Wittwe eines seiner verdientesten Beamten anzunehmen; es hat hier eine lange vergessene, aber nicht verjährte Schuld abzutragen.

Wir wollen mit einer Theilzahlung den Anfang machen. Es ist uns von Freunden und Schülern Fröbel’s, vor Allem aber von dem hervorragendsten Vertreter der Fröbel’schen Idee, Wichard Lange, die ehrende Anerkennung zu Theil geworden, daß unter allen bisher an die Oeffentlichkeit gedrungenen Bildnissen Fröbel’s das in Nr. 1. dieses Jahrgangs der „Gartenlaube“ erschienene das gelungenste sei und die Züge des großen Kinderfreundes am getreuesten wiedergebe.

Die Verlagshandlung der „Gartenlaube“ hat daher beschlossen, von diesem Portrait Separatabzüge auf feinem Papier anfertigen zu lassen, dieselben, auf Cartonpapier aufgezogen, zu dem billigen Preise von 75 Pfennig für das Stück zu verkaufen und den aus diesem Verkaufe sich ergebenden Reinertrag Frau Louise Fröbel zu überlassen. Jede Buchhandlung ist in der Lage, dieses Portrait zu liefern, während directe Bestellungen von der Firma Ernst Keil erst von sechs Exemplaren an ausgeführt werden können.

Wir wenden uns an unsere Leser mit der herzlichsten Bitte, uns in diesem Unternehmen unterstützen zu wollen. Wie geringfügig auch dasselbe auf den ersten Blick erscheinen mag, so kann es doch durch eine möglichst starke Betheiligung von Seiten des deutschen Publicums einen durchschlagenden Erfolg erzielen. Wir wenden uns an Alle, ohne Unterschied der Partei und Confession; denn Friedrich Fröbel muß in jedem deutschen Hause ein gern gesehener Gast bleiben, ist doch jeder Familienherd ihm zu dem größten Danke verpflichtet. D. Red.     


Kleiner Briefkasten.

Ch. N. in R. Den Artikel „Zum hundertjährigen Jubiläum der Gewandhaus-Concerte in Leipzig“ finden Sie in Nr. 47, denjenigen über den großen Rechtslehrer Bluntschli in Nr. 49 des vorigen Jahrgangs.

Ferdinand F. in Triest. Wir werden in der nächsten Zeit auf den Gegenstand zurückkommen.

O. L. Zu derartigen Allotrien fehlt uns alle Zeit. Die Menschheit wird weder klüger noch besser durch Beantwortung der von Ihnen gestellten Frage.

Abonnent in St. Petersburg. Sehr willkommen!

M. B. in New-York. Nein!


Redacteur: Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 104. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_104.jpg&oldid=- (Version vom 30.12.2022)