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verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

des modernen Touristenthums, wenn auch nicht immer unmittelbar, offenbaren, und er wird die Befreiung von Scholle und Gewohnheit preisen, welche ihm die Enge und Beschränktheit seines Strebens- und Wirkungskreises vor Augen führt und ihn darüber erhebt.

Neben dieser Erweiterung des persönlichen geistigen Horizonts hat das Touristenthum noch das Gute im Gefolge, daß Literatur und Kunst von ihm neue Impulse empfangen; denn es steht in engem Zusammenhange mit der neuen Erscheinung des Touristenthums, daß Dorfgeschichten, Touristen- und Badenovellen in Aufnahme gekommen sind, daß oberbaierische und andere Volksschauspiele gern gehört werden, daß Malerei und alle vervielfältigende Kunst die Landschaftsbilder zu fixiren suchen, welche dauernd erfreuen.

Und endlich hat sich da, wo Sommerfrischler und Touristen verkehren, eine eigene Fremdenindustrie herausgebildet, am vollkommensten zunächst in der Schweiz und in den bekannteren Bade-Orten. Sommerfrischler und Touristen wollen beherbergt, verpflegt und befördert werden und so sind Sommerwohnungen, Villen, Gasthöfe, Wirthschaften etc. zu Tausenden errichtet worden, nicht selten auf Bergeshöhen, welche beschwerlich zu erklimmen sind, oder in Gegenden, wo außerhalb der Fremdensaison jeder Erwerb unmöglich wäre. Nach der Schweiz tragen die Touristen erwiesenmermaßen alljährlich zwischen sechszig und hundert Millionen Mark, und manch armes Fischerdorf an der Küste oder ein armer Markt im Gebirge hat sich in Folge eines rasch aufgeblühten Fremdenverkehrs zu Behaglichkeit und Wohlhabenheit aufgeschwungen.

Sympathisch möge die neue Erscheinung auch in Zukunft beobachtet werden; denn sie ist entwickelungsfähig. Für den Einzelnen wie für die Menschheit bedeutet sie einen neuen Fortschritt. Paul Dehn.     



 Geh’ an den Rhein![1]
Geh’ an den Rhein in Maientagen
Und ruhe an des Ufers Saum!
Die Woge rauscht; die Vögel schlagen
Im blüthgeschmückten Apfelbaum.

5
Im Sommer komm’ zum Strom gezogen

Und siehe, wie er strahlt und lacht!
Um der zerfall’nen Burgen Bogen
Schlingt sich der wilden Rosen Pracht.

Und sind verweht des Sommers Wonnen,

10
Zum Rheine zieh’ im Herbste hin

Und tanzen sieh’ bei vollen Tonnen
Den Winzer und die Winzerin!

Im Winter schaue den Giganten,
Wenn er verderbenbringend dräut,

15
Wenn er die blitzenden Demanten

Auf die geborst’nen Schollen streut!

Und willst du recht den Rheinstrom loben,
Füll’ bis zum Rand das Glas mit Wein
Und leer’ es bis zur Nagelproben

20
Und ruf’: „Hurrah, du deutscher Rhein!“

 Emil Rittershaus.


  1. Aus einer in diesen Tagen zur Ausgabe gelangenden Anthologie, welche Edmund Lichtenstein-Anageton zu Gunsten der vertriebenen russischen Juden unter dem Titel „Den Manen Auerbach’s“ (Leipzig, Rud. Hartmann) herausgiebt und die wir um ihres interessanten Inhalts wie humanitären Zweckes wegen hiermit der allgemeinen Beachtung empfehlen. Das sehr fleißig zusammengetragene kleine Heft enthält Poesie- und Prosabeiträge aus den hervorragendsten Federn der Gegenwart, aus deren Zahl wir nur die Friedrich Spielhagen’s und Georg Ebers’ nennen wollen. D. Red.     

Für kinderlose, aber kinderliebende Gatten. In dem baierischen Dorfe Wind (Regierungsbezirk Oberfranken, Landgericht Höchstadt, Post Pommersfelden) lebte ein braver Maurer, Namens Hofmann, der durch seine Arbeit im nahen Steinbruch seine Frau und seine fünf Kinder treu und redlich nährte. Am Abend des 17. Februar faßte er seinen Wochenlohn, kaufte sich für zwanzig Pfennig Tabak und machte sich auf den Heimweg. Hatte er auch nur zehn Minuten bis zu seiner Wohnung zu gehen, so führte doch der Weg über einen eben hoch angeschwollenen Bach. Er kam nicht nach Hause; nach mühevollem Suchen fand man ihn am andern Morgen an einen Pfeiler der Brücke angeklammert, aber todt. Die arme Wittwe wurde durch eine Frühgeburt auf das Krankenbett geworfen. Die Halbwaisen sind ohne Versorger. Da bittet die so hart bedrängte Mutter, daß edle Menschenfreunde ihr die Sorge für die Zukunft ihrer Kinder erleichtern, eins oder das andere zur Erziehung zu sich nehmen möchten. Nur die dringendste Noth bringt ein Mutterherz zu solcher Bitte.

Der Kinderkreis besteht aus einem achtjährigen Knaben und vier Mädchen. Wir wissen nun zwar aus Erfahrung, daß Kinderlose bei Adoptionen schwer an die Wahl eines Knaben gehen, aber hier möchten wir dringend eine Ausnahme wünschen. Nicht verschweigen dürfen wir, daß die Hofmann’schen Kinder der katholischen Kirche angehören; die Mutter wünscht, daß sie in ihrem Glauben erzogen werden möchten. –

Im Jahrgang 1880, S. 120, stießen wir den Seufzer aus: „Kinder genug, aber wo bleiben die Eltern?“ Diese Frage besteht, nach den Berichten unsers ebenso rastlosen wie gewissenhaften und opferfreudigen Vertrauensmannes in der Waisenversorgung, des Herrn Schuldirector Otto Mehner in Burgstädt (bei Chemnitz), heute noch zu Recht, aber dennoch müssen wir hiermit auch Kinder für Eltern suchen. Denn wer wird es einem Ehepaare, das ein Kind zu sich nehmen will, verargen, wenn es in Betreff desselben noch ganz besondere und bestimmte Wünsche äußert? Da wir aber doch die Kinder nicht immer von allen Altern und Arten zur Auswahl haben können, so ist unser Vertrauensmann in diesem Augenblick genöthigt, für Familien, von welchen wir überzeugt sind, daß sie für das Glück der ihnen Anvertrauten bürgen, folgende Kinder zu suchen: ein Mädchen von sechs bis zwanzig Monaten, Vollwaise; ein Pärchen von ein bis zwei Jahren, Vollwaisen; ein Mädchen von zwei bis drei Jahren, Vollwaise; ein Mädchen von ein bis zwei Jahren, Vollwaise; alle von ehelicher Geburt. Daß alle diese Ehepaare die Kinder sich auch hübsch und gesund wünschen, versteht sich von selbst. Die Anmeldungen richte man entweder an die Redaction der „Gartenlaube“ oder an unsern oben genannten Vertrauensmann! D. Red.     


Garibaldi! – Noch einmal flog dieser Name auf Draht, Schiene und Woge rings um die Erde und erweckte die Theilnahme, ja die Trauer Aller, die einen Mann zu würdigen vermögen, der für sein Vaterland das Höchste geleistet und von der höchsten Machtstelle freiwillig zurücktrat, so groß an Selbstlosigkeit wie an Muth, auf Italiens Boden ein zweiter Cincinnatus, und größer als der erste.

Wenn wir in diesen Tagen die öffentlichen Stimmen vergleichen, welche, von den verschiedensten Parteistandpunkten, dem Todten von Caprera ihren Nachruf brachten, so muß uns eine Wahrnehmung wieder freudig erheben: wie oft auch der altgewordene Garibaldi menschlicher Schwäche verfallen war, so wurde dies jetzt doch nur leise, nur mit scheuem Finger berührt, und die Großthat seines Lebens und die Reinheit seiner Ziele erhielten den unbefleckten Kranz, den nicht blos seine Nation ihm bewahren wird, so lange es ein Italien giebt, sondern der von den freiheitliebenden Herzen aller Nationen immer in Ehren gehalten werden wird.

Die „Gartenlaube“ hat dem italienischen Volkshelden eine lange Reihe von Artikeln von seinem denkwürdigsten Triumphjahre 1860 an bis 1875 gewidmet und ihn im Bildniß ihren Lesern viermal vorgestellt. Deshalb dürfen wir uns wohl heute darauf beschränken, vor der Hand auf jene ausführlichen Schilderungen seiner zahllosen Kämpfe in drei Erdtheilen, auf sein oft wie von der Sage ausgeschmücktes Leben nur hinzuweisen, indem wir unsern Lesern ein seinen Lebensgang abschließendes Charakterbild einstweilen noch vorbehalten. Wir Deutschen können auch gern über die Verirrung hinweggehen, die ihn in Frankreich die Waffen gegen uns zu führen verleitete: der unerschütterliche Anhänger der Republik focht für eine solche, die er von seiner obersten Göttin, der Freiheit, geführt glaubte; wie ritterlich er und sein Sohn die deutsche Tapferkeit zu ehren verstanden, bewiesen sie nach dem Gefecht bei Dijon, wo die einzige preußische Fahne, die während des ganzen Kriegs verloren ging, von Menotti Garibaldi freiwillig zurückgegeben wurde, weil sie unter einem Leichenhügel ihrer Vertheidiger gefunden worden war.

Wenn einst Italien den Männern, welche ihm seine nationale Freiheit und Einheit wiedergaben, ein gemeinsames Denkmal errichtet, so wird von den Dreien – neben Mazzini und Cavour – als der Mann der That Josef Garibaldi einen erhöhten Platz einnehmen dürfen. Und wenn dankbare Nationen in jedem Völkerbefreier einen Edlen der Menschheit ehren, so wird auf Garibaldi’s Haupt auch nie ein deutscher Kranz fehlen.


Kleiner Briefkasten.

R. S. in E. Gegen Ihre Behauptung, daß Sie der jüngste Soldat des deutsch-französischen Krieges von 1870 bis 1871 seien (Nr. 7, S. 120 dieses Blattes), ist kein Einwand laut geworden. Dagegen hat unsere Frage: „Wer war der älteste?“ eine Antwort erhalten. Als Aeltester unter der Zahl derjenigen, welche, natürlich vom Feldwebel abwärts, 1870 und 1871 vor dem Feind gestanden, meldet sich Friedrich Wilhelm Alexander Borghard, gegenwärtig königlich preußischer Steueraufseher in Löderburg bei Staßfurt. Er ist 1821, am 6. April geboren, trat am 4. April 1842 als Freiwilliger beim 3. Artillerie-Regiment zu Magdeburg ein, diente voll activ zwölf Jahre, ward 1855 berittener Schutzmann und ging dann zum Steuerdienst über. In dieser Stellung hatte er nahezu das fünfzigste Jahr erreicht, als er, beim Ausbruch des Krieges gegen Frankreich, am 21. Juli 1870 wieder in die Armee eintrat, und zwar in das vierte Feldartillerie-Regiment. Er wurde bei Sedan vom Unterofficier zum Sergeanten befördert und schied am 31. März 1871 aus der Armee wieder aus, um in seine jetzige Stellung zurückzukehren. Vom Officierscorps, welches die Berufssoldaten für’s ganze Leben umfaßt, muß bei obiger Frage natürlich abgesehen werden, sonst wäre Kaiser Wilhelm als der zweitälteste Soldat zu verzeichnen, da ihn nur Steinmetz um zwei Monate und sechsundzwanzig Tage an Alter überragt.

K. M. in München. Es wird Sie freuen, daß wir den Ihnen jüngst gesandten Mittheilungen über den Fortgang der „Feriencolonien“ noch Folgendes beifügen können. German Mäurer in Paris schreibt einem alten Freunde unseres Blattes: „Gestern (14. Mai) beschied mich der Unterrichtsminister zu sich und beauftragte mich mit der Uebersetzung eines Artikels aus der ‚Gartenlaube‘ über die ‚Feriencolonien‘, da er in Frankreich Aehnliches, wie die deutschen ‚Feriencolonien‘, zu organisiren beabsichtigt.“ – Dazu wünschen wir unser herzlichstes Glück auf! – Bei dieser Gelegenheit können wir nicht umhin, auf des oben genannten German Mäurer jüngstes Werkchen hinzuweisen. Es ist „Der neue Eulenspiegel, wie er für unsere Zeiten paßt – in deutschen Reimen abgefaßt“ (Paris, Verlag von Wilh. Mauritius) – auch eine Art Laienbrevier, aber mit kräftigen Stacheln. Zu den schärfsten möchte das Gedicht: „Was im Werden ist. Ein Beitrag zur Chronik der Rheinlande etc.“, gehören. Kennzeichnend für den Autor ist schon das Motto seiner Sammlung:

„Schrieb’ ich, ohne zu gefallen
Auch nur Einem, ’s wär’ mir greulich;
Doch gefiel’ dies Werkchen Allen,
Hielt’ ich’s selbst für ganz abscheulich. –“


Redacteur: Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1882, Seite 404. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_404.jpg&oldid=- (Version vom 3.9.2023)