Seite:Die Gartenlaube (1897) 284.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

Die Zoologische Station des Berliner Aquariums in Rovigno.
Nachdruck verboten. 
Alle Rechte vorbehalten.     

Das Gebäude der Zoologischen Station.

Einige Jahrzehnte sind verflossen, seitdem das Hauptinteresse der Zoologen der Erforschung der Tierwelt des Meeres sich zugewandt hat, und die Mühe der Forscher wurde inzwischen in herrlichster Weise belohnt. Das Meer ist ja der Mutterschoß alles organischen Lebens; in seinen weiten Fluten haben einfachere Lebensbedingungen oft eine Ursprünglichkeit der Organisation bestehen lassen, welche bei Bewohnern des festen Landes und der Binnengewässer längst durch Anpassung an besondere Verhältnisse verwischt ist. Daher haben ein Johannes Müller, Ernst Häckel und ihre Schüler und viele andere Zoologen in aller Herren Ländern beim vorübergehenden Aufenthalt an den Gestaden des Meeres ihre Beobachtungen an lebenden Wesen gemacht und das Material zu ihren grundlegenden Arbeiten gesammelt. Als aber mit den höheren und umfassenderen Zielen der Wissenschaft die Untersuchungen schwieriger und die Arbeiten verwickelter wurden, erschien die Anlage fester Stationen an der Meeresküste ein unbedingtes Erfordernis.

Um der Wissenschaft einen solchen Dienst zu leisten, gründete Anton Dohrn seine Station in Neapel (vgl. „Gartenlaube“, Jahrg. 1880, S. 340), die jetzt zur großen internationalen Station herangewachsen ist. Gerade in diesem Monat, am 14. April, sind fünfundzwanzig Jahre seit ihrer Begründung verflossen. In den Kreisen der Naturforscher, die diesem Institut so viel zu verdanken haben, wird dieses Jubiläum festlich begangen. Der Nutzen der von Dohrn geschaffenen Anstalt erwies sich so groß, daß bald in allen Kulturstaaten, wo Zoologie wissenschaftlich getrieben wurde, Stationen an der Meeresküste auftauchten. England besitzt deren eine ganze Reihe, ebenso Frankreich, die Vereinigten Staaten und in neuester Zeit auch Schweden und Norwegen.

Deutschland, welches sich an der durch unsern Landsmann Dohrn gegründeten Neapeler Station erheblich beteiligt hatte, blieb in dieser Beziehung zurück. Endlich, im Jahre 1893, wurde die königliche Biologische Station auf Helgoland eröffnet.

Aber schon im Jahre vorher war den deutschen Zoologen durch deutsche Privathilfe am Meeresstrande ein Heim geboten worden. An dem Ufer des tierreichen Adriatischen Meeres, zu Rovigno in Istrien, auf österreichischem Boden hatte das Berliner Aquarium eine Fangstation gegründet, welche zunächst bestimmt war, dem Aquarium stets lebendes Material aus der reichen, prächtigen Tierwelt des Mittelländischen Meeres zur Schaustellung nach Berlin zu besorgen. In geeigneter Weise, wie ich es weiter unten noch schildern werde, an das Leben in der Gefangenschaft gewöhnt, werden die Tiere auf dem direktesten Wege nach Berlin geschafft, um dort in den schönen großen Becken des Aquariums dem wißbegierigen Publikum einen Begriff vom Leben des südlichen Meeres zu geben.

In dem Gebäude dieser Station hat nun die Leitung des Berliner Aquariums eine Anzahl von Arbeitsplätzen für Gelehrte nach dem Muster der Neapeler Station ausgerüstet und damit eine Anzahl von Einrichtungen verbunden, welche geeignet sind, dem Forscher den Aufenthalt in der Station ebenso angenehm wie gewinnbringend zu gestalten. Das Deutsche Reich und Preußen haben das Unternehmen durch eine erhebliche Subvention unterstützt.

Der zweistöckige Stationsbau zeichnet sich durch seine Sauberkeit und Nettigkeit höchst vorteilhaft vor den Häusern des übrigen Rovigno aus. Er liegt unmittelbar an der Straße, welche sich längs des Nordhafens von Rovigno am Meere entlang zieht, und ist nur durch eben diese Straße und die breite Riva, die Hafenmauer, vom Wasser getrennt. Unsere Illustration zeigt uns die Station von Nordosten gesehen, das Bild ist unmittelbar vom Meeresufer, von der Hafenmauer aus aufgenommen. Vor dem Gebäude befindet sich ein wenige Meter breiter Vorgarten mit Rasenplätzen und sauberen Kieswegen, der nach der linken Seite hin mit dem Hofe in Verbindung steht. Durch eine stattliche Hausthüre betreten wir den Flur. Gerade vor uns sehen wir die Treppe in die oberen Stockwerke emporsteigen. Aus einem Raume zur Linken tönt uns das Rauschen des Wassers entgegen.

Aussicht auf die Kirche Santa Eufemia.

Wir treten in den Aquarienraum, einen großen Souterrainsaal, in welchem zwei Wände von einer fortlaufenden Reihe tiefer Cementbecken eingefaßt sind. Quer durch den Raum steigt von der Höhe herab eine treppenartige Folge kleinerer Becken; von dem höchsten derselben fließt das frische Wasser in das nächste, und so durchströmt es der Reihe nach sämtliche Abteilungen. Jedes Becken kann aber auch einzeln mit frischem Wasser versorgt werden.

In diesen kleinen Behältern sehen wir Krabben und Würmer, Schnecken und Seesterne, Polypen und Moostierchen in buntem Durcheinander. Kleine Fische in schimmernden Farben huschen zwischen Schwämmen und Korallen umher, während die abenteuerlichen Gestalten der Schlangensterne in bizarren Verrenkungen auf den Steinen umherklettern. Im Winkel liegt eine große Muschel still und träg, niemand beachtet sie; denn die Schale ist ganz mit Schlamm überzogen und nichts verrät Leben. Da! – plötzlich öffnen sich die Klappen ein wenig, eine Reihe grünlicher Tentakel (Fühlfäden) flattert hervor, und unter ihnen sehen wir in regelmäßigen Abständen große dunkle Punkte, die in den wunderbarsten Farben schillern. Das ist die seltsame Jakobsmuschel (Pecten Jacobaeus), und diese schimmernden Flecke sind die vielen Augen des wunderbaren Geschöpfes.

In den großen Cementbecken werden größere Tiere gehalten. Hier sehen wir vor allem die prächtigen Fische der Adria vertreten.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 284. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_284.jpg&oldid=- (Version vom 6.7.2023)