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aus der Ferne trug der leichte Nachtwind das Blöken von Schafherden und Rindern, das schaurige Heulen der Hyänen und das meckernde Kläffen der Fenneks (Wüstenfüchse) herüber.

Ein seltsamer Zufall: gerade in dieser Nacht hörte ich auch zum ersten Male Löwengebrüll. Gewiß, ich hatte in zoologischen Gärten daheim auch schon jene dumpfen, seltsamen Laute kennengelernt, die wie das Gähnen eines Riesengeschöpfes klingen. Doch – in freier Natur vernahm ich sie nun hier in einer Stärke, die es begreiflich machte, daß der Beduine eine heilige Scheu vor diesen Tönen hat, die ihm die Nähe des „Herrn mit dem dicken Kopf“ anmelden.

Auch unser Wächter, der bisher auf und ab gegangen war, blieb stehen und lauschte. Die Hunde waren verstummt. Nur die Herden schienen immer unruhiger zu werden. Dann schritt der Tuareg um die Zelte herum den Reisighütten zu. Ich hatte ihm nachgeschaut und gedacht: „Welch gute Gelegenheit zum Entwischen!“ Aber – leider gehörte dazu freie Bewegungsfähigkeit! Wie sollte ich meine Fesseln loswerden! Es waren schmale Riemen aus Rindsleder, fester wie Stahldraht! Hier gab es kein Wasser wie damals im Brunnen der Aussätzigen, das die Riemen weich und dehnbar gemacht hätte!

Ein leises Geräusch neben mir ließ mich den Kopf nach links drehen. Ich glaube, ich habe damals den Mund vor Staunen ganz weit aufgerissen. Etwas mit Recht – denn Augustus Wruke stand jetzt halb hinter mir, flüsterte mir zu: „Ich schneide Sie los, aber nicht rühren. Der Wächter kommt sofort zurück!“

So war es auch. Der Tuareg tauchte auf, schlenderte herbei. Augustus war längst wieder an seiner Palme. Er hatte als Nebenmann den langen Dunnleit, während der „Baron“ von Wexel mit dem „Grafen“ Steltra an der letzten Palme links stand.

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Walther Kabel: Die Goldkarawane. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1919, Seite 131. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Goldkarawane.pdf/131&oldid=- (Version vom 31.7.2018)