Seite:Die Goldkarawane.pdf/37

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fühlte, wie mir das warme Blut der durch die Riemen durchschnittenen Haut über die Hände rann.

Bald gab ich dieses nutzlose Mühen auf. Mein Kopf sank matt herab. Eine Art Betäubung überkam mich. Ich wollte nichts mehr denken – nichts! Wenn nur das gierig hochkletternde Wasser sich beeilen wollte. Nur nicht etwa stundenlang so den Tod vor Augen haben! Das würde mich dem Wahnsinn in die Arme treiben – unfehlbar! Das hielten keine menschlichen Nerven aus!

Nichts denken! – Nur ein paar Minuten scheuchte ich den Mückenschwarm der auf mich einstürmenden entsetzlichen, halb irren Gedanken von mir. Aber immer aufs neue drangen sie auf mich ein, diese törichten Hoffnungen, diese Ausbrüche wilder Verzweiflung, diese zwecklosen Selbstvorwürfe.

Dann – ein Schrei kam mir über die Lippen, ein wahnwitziger Schrei, in dem alles lag, was meine Seele zerfleischte, mein Hirn wie in Feuer tauchte!

Ein zweiter dritter folgte, wurde zum Brüllen, zu einem mir in die Ohren gellenden, schrillen, überlauten: „Hilfe – Hilfe – Hilfe!“

Die Kehle schmerzte mir, die Halsmuskeln, die Kinnbacken! Meine Stimme wurde heiser und heiserer, schnappte über, ward zum Krächzen.

Und wieder kam die halbe Ohnmacht infolge der seelischen Aufregungen, infolge der zunehmenden körperlichen Ermattung. Ich hing nur noch in meinen Fesseln. Meine Beine zitterten.

Dann – dann spürte ich die Feuchtigkeit an den Knien. Mein halb irrer Blick stierte auf die steigende Flut, auf den rötlichen Schimmer, den die brennende Laterne auf die Oberfläche des Wassers warf.

Ich drückte die Lider zu. Ich wollte nichts sehen! Was half es? Ich fühlte ja, wie der nasse Tod höher und höher kletterte, wie seine feuchtkalten Würgerhände

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Walther Kabel: Die Goldkarawane. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1919, Seite 37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Goldkarawane.pdf/37&oldid=- (Version vom 31.7.2018)