Sehr weit über die Aneignung der russischen Schrift bin ich dabei nicht hinausgediehen, aber Herr Tschernitschew, mein Lehrer, meinte, als wir soweit waren, es sei an der Zeit, mich mit meinen Kenntnissen dem russischen Studentenvereine vorzuführen, und so wurde ich eines Tages eingeladen, in der Russenbude zu erscheinen, um eine Art Prüfung abzulegen. Ich ging um so lieber hin, als mir mein Lehrer erzählte, ich würde dort eine berühmte Nihilistin zu sehen bekommen, die kurz vorher ein Attentat gegen einen Polizeidirektor verübt hatte. Gott, dachte ich mir in meiner lyrischen Seele, dabei fallen mindestens hundert freie Rhythmen ab.
(Sie seien dir verziehen, wenn du sie mir nicht rezitierst, bemerkte ich zu mir selber, da ich zu Emil ja nichts bemerken durfte.)
Ich wurde, in Oberstraß war’s, ganz oben, in einem kleinen alten Häuschen, das nun längst niedergerissen ist, in ein rundes Turmzimmer geführt, in dem sich etwa ein Dutzend Menschen befanden, deren Geschlecht ich nicht
Otto Julius Bierbaum: Die Haare der heiligen Fringilla. München: Albert Langen, 1904, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Haare_der_heiligen_Fringilla.djvu/098&oldid=- (Version vom 31.7.2018)