Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band | |
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Dieser Jüngling hatte offenbar noch ein unverdorbenes Gemüth und einen festen Glauben.
Gestern, während einer großen Procession in der Kirche und eines großen Handkusses bei dem Bischof, der ein schöner Prälat mit fetten, weißen, von blitzenden Juwelen bedeckten Händen war, sah ich einen der vornehmen Herrn (ich glaube, daß es der Admiral war) lachen, während er vor dem heiligen Vater niederkniete und Miene machte seine Hand zu küssen; aber es ist wahr, daß der Bischof ebenfalls lächelte. Beide wußten, daß es ein Spectakel war. Die Costüme der priesterlichen und der Beamtencorporation, die in Lehnstühlen einander gegenüber in der Kirche saßen, waren pittoresk und so imposant und kleidsam, als sie in gegenwärtiger Zeit nur sein können. Und ich bin weit entfernt mich aller Einwirkung davon erwehren zu können, so lange ich wenigstens nicht gesehen habe, daß es bloß betrügerische Masken sind.
Ich höre viel über die Regierung auf der Insel, über Monopole, Ungerechtigkeiten und officielle Räubereien nach allen Seiten, verübt von Beamten und Advocaten, klagen. Man sagt, daß sie buchstäblich den Antheil der Erben und Waisen verschlucken. Ich habe beinahe unglaubliche Geschichten davon gehört. Jetzt hofft man Gutes von dem neuen Gouverneur, General Concha, der vor zwei Monaten aus Spanien hieher gesandt wurde, und ein braver, ehrenhafter Mann sein soll. Der in der letzten Zeit abgesetzte Gouverneur zeichnete sich durch Erpressungen aus, die ihn zu einem reichen Manne machten. Die Priester werden als ganz unpriesterlich geschildert und sollen größtentheils in offenem Streit mit ihren Gelübden leben; die Religion ist so viel wie todt. Der Sklavenhandel wird noch immer betrieben, obschon im Geheimen. Die Regierung weiß davon, aber sie bekommt 30 oder 40 Pesos (Dollars) für jeden Sklaven,
Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 83. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Dritter_Band.djvu/101&oldid=- (Version vom 15.9.2022)