Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band | |
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über dem Palmhügel von neuem begrüßt und des Morgensterns stillen, wehmüthig klaren Blick über die Erde hin betrachtet. Diese Nächte beim Gebrause der Bergströme und dem Gesäusel der Bananasbäume — sie vergesse ich nicht.
Heute früh war Mrs. S. mit mir im Park. In einem schönen Bambusbaum waren spanische Verse eingeschnitten. Ich bat Mrs. S. sie mir zu übersetzen. Sie konnte es nicht thun, denn die Verse enthielten — die gröbsten Unanständigkeiten. — Wiederum die alte Schlange!
Auf dem Lande umher sieht man kleine Höfe, alle mit Häusern aus Palmenholz, die mit vergilbten Palmblättern bedeckt sind; das spitzige Dach ist oft höher als die Hütte. Aber alle Wohnungen auf der Insel sind niedrig um der Orcane willen, welche sie sonst sicherlich zerstören würden. Mehrere kleine Negerhütten haben auch Wände von Birkenrinde oder zusammengeflochtenem Reisholz. Der Palmbaum ist für das arme Volk der wichtigste Baum. Er gibt ihm Häuser, wie die Calebasse ihm Hausgeräthe gibt. Die kleinen Höfe sehen eigenthümlich aus, obschon nicht zierlich. Aber sie schmücken die Landschaft durch ihren eigenen Character.
Man hat mir hier manches Abenteuer aus der Zeit des letzten Orcans erzählt. Man hat mir ganz in der Nähe den Platz gezeigt, wo ein kleiner Bauernhof stand. Im Wohnhaus war die ganze Familie versammelt, zwölf Personen stark. Der Orcan erschütterte das Haus. Der Hausvater ermahnte die Seinigen zu beten. Alle warfen sich rings um ihn her auf die Kniee: er stand allein aufrecht mitten im Zimmer und betete im Namen Aller. Der Sturm riß ein Loch ins Dach und in demselben Augenblick stürzte das Haus zusammen; der Mann blieb unbeweglich aufrecht stehen, aber
Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Dritter_Band.djvu/115&oldid=- (Version vom 15.9.2022)