Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band | |
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verwehrten Zweigen der Gelehrsamkeit; ihre schriftlichen Compositionen in Versen und Prosa bekunden eine bei so jungen Jahren ungewöhnliche Reinheit des Styls, Klarheit des Gedankens und Weite des Gesichtskreises. Man sieht, daß der Geist der neuen Welt die Schwingen ihrer Geister gelöst hat und ihnen einen freien Flug über das Feld der Erde hin gestattet. Das amerikanische Weib wird zur Weltbürgerin gebildet; sie soll die ganze Menschheit umfassen lernen. Dieß ist offenbar der Sinn ihrer Schulerziehung, wenn es ihr auch noch an einem System fehlt, das dazu führen kann. Aus den allgemeinen Schulen können die Mädchen in Hochschulen und Frauenzimmerakademien übertreten, wo sie den Grad und das Diplom erhalten, und damit versehen können sie als Lehrerinnen über die ganze Union ausgehen.
Und dieß thun insbesondere die Töchter der Staaten Neuenglands, die einen eigenthümlichen Beruf für den Lehrstand zu haben scheinen, welchen sie sehr häufig, nicht aus Nothwendigkeit, sondern aus Neigung ergreifen.
Ueberall in den Vereinigten Staaten, im Westen wie im Norden und Süden der Union, wo immer die Schule in Wirksamkeit tritt, findet man junge Lehrerinnen aus den Staaten Neuenglands, d. h. aus denjenigen Staaten, die von den Abkömmlingen der Pilgerväter bevölkert worden sind. Und das Ansehen des Weibes als Lehrerin der Jugend steigt in Amerika immer mehr.
Aber nicht bloß in ihrer Eigenschaft als Lehrerin sucht der Geist der neuen Welt der Frau eine freiere Entwicklung ihres Wesens und Wirkungskreises zu bereiten; auch in der Kunst und Industrie sucht er ihr freie Bahnen zu eröffnen.
„Wenn ich die Wahl hätte, ob ich die Erziehung in einem Lande den Männern oder den Weibern
Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 266. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Dritter_Band.djvu/284&oldid=- (Version vom 14.9.2022)