Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band | |
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nie Jemand, weder Mann noch Frau, getroffen, der im Gespräch eine so anregende, ich möchte fast sagen, so entwickelnde Wirkung ausübte. Wir folgen uns wie zwei Vögel, die zwischen Himmel und Erde, von Stern zu Stern, von Land zu Land, von Baum zu Baum, von Blume zu Blume auf und abfliegen. Ich lerne viel bei ihr. Mit ihrem Mann, dem hochgeachteten Naturforscher Holbrook, ihrer Schwester Miß Lucas und ihrer alten schönen Mutter, führt sie ein schönes und reiches Familienleben.
Gegen Abend dieses Tages kamen wir an das Dörfchen Weldon auf der Gränze zwischen Nordcarolina und Virginien, wo der wilde schäumende Fluß Roanoke seine Wellen rollt und die beiden Staaten trennt.
In der Abenddämmerung ging ich an den Fall hinab und sah ihn schäumen und tosen. Die Feuerfliegen tanzten funkelnd unter den düstern Gewölben der Bäume. Die Natur war hier romantisch wild und schön, die Gegend aber so öde und still, als wäre sie ohne Menschen.
Wir hatten eine gute Nachtherberge, und obschon ich von einer Migraine heimgesucht wurde, so konnte ich doch zu meiner Freude an folgenden Tag die Reise auf einem langsamen Eisenbahnzug fortsetzen, der uns ganz gemächlich und gemüthlich durch Virginiens Wälder nach Virginiens Hauptstadt Richmond führte, welche 30,000 Einwohner (die Hälfte davon farbig) zählt und eine romantische Lage auf den Höhen und in den Thälern am St. Jamesflusse hat. Und da bin ich jetzt. Von meinen Reisegesellschaftern mußte ich schon gestern Abend Abschied nehmen. Sie setzten heute früh ihre Reise nach Saratoga fort, wo sie den Brunnen trinken und baden wollen. Später im Sommer gedenke ich ebenfalls dahin zu gehen, aber nicht um den Brunnen zu trinken, sondern um diese Scene
Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 361. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Dritter_Band.djvu/379&oldid=- (Version vom 13.9.2022)