Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band | |
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Gesicht, Wesen und Rede merkwürdige Aehnlichkeit mit Frau L. hat, aber mit weniger Stahl in ihrer Natur als diese. Ich hatte viel von ihrer Lebhaftigkeit und Anmuth gehört, und nun wunderte ich mich in ihrem Gesicht deutliche Spuren eines tiefen Kummers zu sehen. Sie ist nämlich vor zwei Jahren Schlag auf Schlag vom Tode ihres Bruders und zweier ihrer Kinder betroffen worden, und seit dieser Zeit hat sie dem Gesellschaftsleben, dessen Zierde sie gewesen, und aller Eitelkeit der Welt abgesagt. Sie sperrte sich in ihre Zimmer ein und lebte da mehrere Monate unter beständigen Thränen eingeschlossen. Lady Worthly Montagues Besuch in Mobile, ihre seelenvolle Gesellschaft und Sympathie riß sie zum ersten Mal wieder aus ihrer tiefen Schwermuth, und so wurde es allmälig besser mit ihr. Aber sie trägt sich noch immer ganz schwarz und ist für die Vergnügungen der Welt wie abgestorben. Sie glaubt nicht, daß sie jemals das Gefühl des Kummers überwinden kann, der sie gleichsam zermalmt hat. Gleichwohl ist sie lebhaft und kann mitunter herzlich lachen. Aber man sieht es ihren Augen an, daß sie viel geweint haben.
Gestern Nachmittag führte sie mich zu Wagen auf eine schöne Promenade durch einen Magnolienwald am Ufer des mexicanischen Meerbusens entlang. Die Magnolie ist ein Lorbeerbaum mit ewiggrünen Blättern von dunkler, aber klarer Farbe. Er ist unregelmäßig in seiner Gestalt, aber lang, und seine Krone meistens rund und reich. Die langen Moosflechten (Tillandsia Usnoides) hängen wie Schleier an seinen starken, knotigen Armen zwischen Grotten von dunklem Laub. Es ist dieß ein höchst romantischer Baum, und wenn er seine schneeweißen, duftigen Blumen ausschickt, erinnert er an ein Byronsches Gedicht.
Die Luft war lieblich. Die Wogen des mexicanischen Busens brachen sich weich und breit am Ufer,
Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Dritter_Band.djvu/39&oldid=- (Version vom 20.8.2021)