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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band

Richmond, den 2. Juli.

Wie ermüdend ist es dieses Gefrage, dieses leere und gedankenlose Geschwatze von Kommenden und Gehenden, besonders von Frauenzimmern! Mangel an Aufmerksamkeit, Mangel an Ohr für das wahre Leben ist doch eines der größten Gebrechen hier, und die Schule, deren die neue Welt vor allen andern bedürfte, ist die uralte pythagoräische.

Das Leben mit seinen großen heiligen Interessen, seinen ernsten Auftritten, geht an diesen kindlichen, unentwickelten Wesen vorüber, ohne daß sie es sehen oder daran denken. Zerstreut durch diese äußeren und alltäglichen Dinge lauschen sie nicht auf die große, aber stille Stimme, die ihnen täglich mitten aus dem Leben zuruft, das sie wie Tagesfliegen führen.

Den 3. Juli.

Mit einem ehrlichen deutschen Herrn, der in Richmond ansäßig ist, habe ich heute einige negrojails, oder die Gefängnisse besucht, wo man die Neger theils abstraft, theils bis zum Verkauf eingeschlossen hält. In einem dieser Jails sah ich einen großen starkgliedrigen Neger still und düster dasitzen, die rechte Hand mit einem Tuch umwunden. Ich fragte ihn, ob er krank sei. „Nein, antwortete der gesprächige Aufseher; aber er ist ein ganz böser Hallunke. Sein Herr, der weiter oben am Flusse wohnt, hat ihn zur Strafe von Weib und Kind getrennt, um ihn nach dem Süden zu verkaufen, und nun hat sich der Schurke aus Rachsucht und damit sein Herr keinen hohen Preis für ihn bekomme, die Finger an der rechten Hand abgehauen. Der Gauner bat mich um eine Axt, damit er Nägel in seine Schuhe schlagen könne; ich gab sie ihm ohne allen

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 390. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Dritter_Band.djvu/408&oldid=- (Version vom 4.12.2023)