Seite:Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band.djvu/424

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band

und Bekannten; sie sprachen von einem Todtenbett, wo ein gottloser Mann neulich sein Leben beschlossen, ohne einen Rückblick der Reue auf die Vergangenheit, ohne einen Blick der Hoffnung auf die Zukunft. Sie stellten Betrachtungen darüber an; ihre Gesichter waren sanft und ernst. Drei junge Mädchen von zwölf bis fünfzehn Jahren sprangen dabei im Zimmer aus und ein, wie wilde Füllen oder Kälber, die man zum ersten Mal auf die Weide gelassen hat; ich hütete mich wohl ihnen in den Weg zu kommen. Die Frauen sahen ihnen zu.

„Wilde junge Mädchen!” sagte die eine mit sanfter Mißbilligung.

„Laß sie ihre Freiheit genießen,“ versetzte die andere noch milder und mit einem halben Seufzer; „es ist ihre Zeit; das Leben wird sie bald genug zähmen.“

Aber dennoch wäre es besser, wenn das junge Mädchen so erzogen würde, daß sie sich der Hand des Zähmers in einem andern Sinn unterwärfe, als das Füllen dem Gebiß. Der Kampf würde dann milder und würdiger als nach dieser Füllenfreiheit.

Am Morgen befand ich mich in Baltimore, und reiste von da noch an demselben Vormittag mit der Eisenbahn nach Harpers ferry. Man hatte mir so viel von der Schönheit der Landschaft in dieser Gegend Virginiens erzählt, daß ich dahin zu fahren beschloß, um recht in Ruhe den Eindruck von Virginiens erhabenster Scenerie zu betrachten.

Der Bahnzug flog in Krümmungen und unzähligen Verschlingungen an den waldbewachsenen Ufern eines kleinen Flusses hin, mit einer Heftigkeit und Unregelmäßigkeit, die an eine scheugewordene Kuh erinnerte und mich jeden Augenblick fürchten ließ, ich möchte in den Strom geworfen werden. Dennoch kamen wir glücklich in den kleinen Flecken bei Harpers ferry. Ich blieb hier drei Tage lang allein und unbekannt und

Empfohlene Zitierweise:
Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 406. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Dritter_Band.djvu/424&oldid=- (Version vom 6.12.2023)