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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band

gelehrt, eine jener glücklichen lieblichen Naturen, die für Alles, was sie umgibt, eine Quelle der Freude und des Friedens sind. Wiederum ein glückliches, liebereiches Ehepaar, wie es ihrer wenige gibt.

Von Boston aus machte ich einige kleine Ausflüge; einer von ihnen war nach Concord gerichtet, denn ich wollte Emerson und Elisabeth H. noch einmal sehen, ehe ich America auf immer verließ. Ich kann nicht recht sagen, warum ich es wollte; aber es war eine innere Nothwendigkeit für mich. Ich mußte Emerson noch einmal sehen.

Ich kam Nachmittags nach Concord und stieg bei Elisabeth H. ab. Wir gingen zusammen zu Emersons. Sie waren beide ausgegangen. Ich begab mich eine Weile in Emersons Arbeitszimmer, ein großes Zimmer, wo Alles einfach, geordnet, ungesucht, comfortabel ist. Kein feiner Schönheitssinn hat wie bei Downing das Zimmer in einen Tempel verwandelt, wo die Heroen der Wissenschaft und Literatur ihre Bilder haben. Im Heiligthum des stoischen Philosophen sind Zierrathen verbannt; comfortabel, aber ernsthaft stehen die Möbel bloß als dienende Werkzeuge da; ein einziges großes Gemälde ist im Zimmer sichtbar; aber dieses steht mit beherrschender Macht da; es ist ein großes Oelgemälde, Michel Angelos herrliche Parzen darstellend. Die drei Schicksalsgöttinnen sind nicht abschreckend; dafür sind sie trotz ihrer Unerweichbarkeit zu edel und zu schön. Schön ist besonders diejenige, welche den Lebensfaden in ihrer Hand hält. Diejenige, welche die Scheere hält, um ihn abzuschneiden, sieht die erstere mit einem fragenden mitleidigen Ausdruck an, und die Antwort dieser ist ein Lächeln der schönsten Gewißheit und Zuversicht. Der Blick des Sterblichen kann nicht darauf sehen, ohne sich mit Vertrauen in die Hände der unsterblichen mütterlichen Mächte hinzugeben.

Auf dem großen Tisch mitten in dem Zimmer, wo

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 425. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Dritter_Band.djvu/443&oldid=- (Version vom 7.12.2023)