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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band

zwei kleinen Mädchen wohnte und sie zu einem Kinderball ankleidete.“

Ich richtete leise den Kopf der weinenden Octavia empor. Sie sagte bloß:

„Wollen Sie Ihr Zimmer mit mir tauschen?“

„Sehr gern.“

Betsy und ich brachten Octavia in mein Zimmer und ich verließ sie nicht, bevor ich sie etwas ruhiger sah.

Unsere Zimmer waren beinahe unter dem Dachfirst. Ich konnte nicht umhin mit den Augen die Entfernung von meinem Fenster in den Hof hinab zu messen und daran zu denken, was für einen Sprung ich machen müßte, falls während der Nacht Feuer im Hotel ausbräche, denn auf Feuersgefahren muß man sich in Amerikas großen Städten immer gefaßt halten. Ich blieb bei der Ueberzeugung, daß dieser Sprung mein Allerletzter sein würde.

Ich war froh und dankbar, als ich am nächsten Morgen ganz ruhig in meinem Bett erwachte. Meine arme Octavia fand ich ganz verweint, aber ich tröstete sie so zärtlich in ihrem Kummer, daß es mir gelang, sie von den Bildern des Todes und der Vergänglichkeit abzulenken.

Heute Nachmittag werde ich sie verlassen, um in ein Privathaus zu ziehen, wohin eine junge Miß W. aus Massachussetts im Namen ihrer Cousine mich eingeladen hat. Ihre Persönlichkeit und auch die Art der Einladung hatte etwas so Einnehmendes für mich, daß ich mich sogleich geneigt fühlte sie anzunehmen, und daß ich halb zusagte. Dieß geschah, bevor ich nach Mobile reiste. Heute Vormittag war Miß W. hier und sagte mit ihrem feinen etwas schalkhaften Lächeln und ihrem ruhigen, bestimmten Wesen zu mir:

„Miß B., ich glaube ein Recht zu der Frage zu haben, warum Sie sich an diesem Ort befinden.“

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Dritter_Band.djvu/49&oldid=- (Version vom 20.8.2021)