Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band | |
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noch niedergedrückt von einer Migräne, welche die geistige und leibliche Ueberanstrengung mir zugezogen hat. Ehe ich von Downing schied, verbrachten wir einen Tag zusammen in Westpoint. Eine herrliche Aussicht, aber der Tag drückend heiß und ohne Luft. Die Segel glitten auf Hudsons spiegelglatter Fläche, ich weiß nicht von welcher Kraft getrieben, denn Wind war es nicht. An der Table d’hote Mittags saßen vor uns ein paar kleine, magere, schmächtige, blaßgelbe Mädchen allein und tranken Wein und aßen von allen Leckerbissen, wie wenn sie große Leute gewesen wären. Dieß entging Downings ernstem mißbilligendem Blicke nicht. Er sagte zu mir: „Dieß ist eines der Verhältnisse, von denen ich wünsche, daß Sie darauf aufmerksam machen.” Man thut in diesem Lande so viel für die Kinder, man betrachtet sie beinahe als heilige Wesen, und gleichwohl verderbt man die Kindheit durch weichliche Vernachläßigung.
„Dieß müssen Sie Ihrer Schwester Agathe von mir bringen,” sagte D., indem er mir einen großen, schönen Kupferstich von der Aussicht in Westpoint gab. Sein letztes Geschenk für mich waren Bartletts kostbares Werk American scenery (Americanische Landschaft) und Miß Coopers „ländliche Stunden.” Dieß war in New-York. Im Astorhause, wo wir einander zum ersten Male getroffen hatten, trennten wir uns. – – Ich fühle, daß es für immer ist auf Erden. Marcus Spring, sehr blaß von der Hitze, aber stets freundlich und sorgsam, kam im Wagen, um mich nach seiner Wohnung abzuholen.
Jetzt ist es spät am Abend, mein letzter Abend in der neuen Welt. Die Hitze ist entsetzlich; die Nächte bringen keine Kühlung. Die Leute sehen aus, als wären sie mehlig im Gesicht. Alle leiden an Husten. Ich begreife nicht, wie ich bis morgen reisefertig werden soll. Gute Nacht! Bald werde ich Schweden wiedersehen. Ach, wenn ich dann, wie bei meiner Rückkehr
Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 508. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Dritter_Band.djvu/526&oldid=- (Version vom 11.12.2023)