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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band

Ganz gewiß steht Jenny Lind eine Veränderung dieser Art bevor. Aber wird dieselbe ihre Seele ausfüllen, wird sie ihr genügen? Ich zweifle daran.

Gestern reiste sie in melancholischer und nicht sehr glücklicher Stimmung nach New-Orleans ab. Das Schiff, mit welchem sie ging, war überfüllt mit Californienfahrern (man sagte 400 Personen), die nach New-Orleans zurückehren wollten. Und Jenny Lind hatte kurz vorher gerüchtweise erfahren, daß Capitän West, der sie von England nach America herübergeführt hatte, auf einer unglücklichen Seefahrt umgekommen sei. Alles das bedrückte sie und meine Zusprüche — ich ging an Bord des Schiffes, um Abschied von ihr zu nehmen, um ihr Glück zu wünschen und ein Rosenbouquet zu schenken, — sowie die Zuvorkommenheit des Capitäns, der ihr seine Cajüte und den Salon anbot, wo sie über dem Verdeck, ungestört von den Californienfahrern unten, leben könnte, vermochten sie nicht aufzumuntern. Sie blieb blaß und einsylbig. Sie sah meine armen Rosen kaum an, obwohl sie schön waren, die schönsten, die ich in Havannah bekommen konnte. Aber als ich wieder in meiner kleinen Gondel saß und mich bereits vom Schiff entfernte, da sah ich auf einmal Jenny Lind sich über das Geländer hin gegen mich vorbeugen. Und all die schönen regelmäßigen Gesichter des Westens erblaßten vor der strahlenden, lebensvollen Schönheit im Ausdruck des Gesichtes, das ich hier in Thränen gebadet, die Rosen küssend und in seinem leuchtenden Blick einen ganzen Sommer von reichem, entzückendem, innig warmem Leben ausstrahlen sah.

Und sollte ich in Zukunft Jenny Lind nie wieder sehen, so werde ich sie künftig immer so sehen, immer so lieben.




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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Dritter_Band.djvu/91&oldid=- (Version vom 20.8.2021)