Seite:Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band.djvu/124

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band

und gutmüthige Natur, die durch ihre Anwesenheit bedeutend zum Reichthum und der Annehmlichkeit des häuslichen Lebens beiträgt, auch für mich, weil er mir Nachmittags oder Abends, wenn ich zuweilen freie Stunden habe oder wenn das Wetter, das jetzt einige Tage lang regnerisch war an Bewegungen im Freien hindert, vorliest. So hat er mir Gouverneur Sewards vortreffliche Biographie von dem früheren Präsidenten Adams vorgelesen. Und diese frappirte mich besonders wegen des Heldencharakters, den der edle Staatsmann in seinem Kampf gegen die Sklaverei entwickelt. Ein großer Staatsmann hier zu Lande muß zu gleicher Zeit ein Weiser und ein Held sein, um recht nützlich wirken zu können.

Ich bringe fast alle Vormittage auf dem Capitol und dann gewöhnlich im Senat zu. Nachmittags fahren dann gewöhnlich meine Freunde unter den Senatoren mit mir nach verschiedenen Plätzen in der Umgegend aus. Abends empfange ich Besuche zu Haus. Bei einer solchen Fahrt, die ich dieser Tage mit Gouverneur Seward machte, erzählte er mir das Ereigniß in seinem Leben, das seinen unauslöschlichen Abscheu vor der Sklaverei und seine unerschütterliche Opposition gegen dieselbe hervorrief. Gestern Nachmittag fuhr ich mit den Senatoren von Illinois und Miß Lynch auf ein altes Schlachtfeld, das jetzt in einen Kirchhof umgewandelt ist, am Ufer des Potomak. Als ich mit General Shield von da aus die weite Aussicht und die mit Dörfern und Kirchen, Villen und Landhäuschen nebst ihren Pärken übersäeten Gestade des Flusses betrachtete, rief er, indem er darauf deutete: „Sehen Sie! das ist Amerika!“ Und so ist es auch. Das wahre Leben der neuen Welt ist nicht in großen Städten mit großen Pallästen und schmutzigen Gassen zu sehen, sondern in dem Reichthum kleiner Gemeinden, schöner Privatwohnungen von Land und Hainen umgeben,

Empfohlene Zitierweise:
Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Zweiter_Band.djvu/124&oldid=- (Version vom 4.8.2020)