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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band

stehen; im nächstfolgenden stürzte es hinab und verschwand in der schäumenden Tiefe. Die Mutter und die Kinder kamen nie mehr zum Vorschein.

Die Indianer glauben noch jetzt in der Morgendämmerung den Klaggesang zu hören, der von der Treulosigkeit und Härte des Mannes verkündete, und sie wollen die Mutter mit den an ihre Brust geschlossenen Kindern in den Nebelgestalten erblicken, die aus dem Fall um die Geisterinsel her emporsteigen.

Dieses Ereigniß ist blos ein einziges unter vielen derselben Art, die sich alljährlich bei den Indianern zutragen. Der Selbstmord ist nichts Seltenes unter ihren Weibern. Ein Herr, der dieß bestreiten wollte, sagte mir, in den zwei Jahren, die er in dieser Gegend zugebracht, habe er blos von eilf oder zwölf solcher Fälle gehört. Es ist genug, meine ich. Die Ursache des Selbstmords ist bei der Indianerin gewöhnlich entweder daß ihr Vater sie gegen ihren Willen und ihre Neigung verheirathen will, oder daß, wenn sie verheirathet ist, der Mann ein neues Weib nimmt. Der Selbstmord, eine für Kinder des Naturlebens so unnatürliche That, zeugt, scheint es mir, bedeutend für das rein Weibliche bei diesen armen Weibern und beweist, daß sie eines besseren Looses würdig sind. Da sie noch sehr jung sind, fragt man beim Abschluß der Ehe selten nach ihrer Neigung. Der Freier breitet vor dem Vater des Mädchens seine Büffel- und Biberhäute, vor ihrer Mutter einige glänzende Stücke Zeug und Schmuckwaaren aus, und das Mädchen ist verkauft. Widerstrebt sie, so droht ihr der Vater Ohren und Nase abzuschneiden, und sie, die ebenso hartnäckig ist, als er, kürzt den Prozeß dadurch ab, daß sie sich erhängt, denn dieß ist die Todesart, die gewöhnlich gewählt wird. Es scheint auch, als wirkte bei dem Selbstmord oft Rachsucht als Triebfeder mit, und man weiß, daß indianische Weiber mit den Männern an Grausamkeit gegen

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 327. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Zweiter_Band.djvu/345&oldid=- (Version vom 14.2.2021)