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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band

mit einer redseligen originellen Dame (eine ziemlich seltene Gestalt unter den Damen der neuen Welt). Mrs. D. ist weltlich, aber geistreich und außerordentlich eigenthümlich; sie macht nicht viel Umstände mit der Welt, sondern hat den Muth, gleich ihr Capricen zu haben, auch in der Kleidung. Und ihre rothe Sammtbluse, die ohne Gürtel wie ein Mantel ihre Gestalt umfloß, mag dieß nun in der Gesellschaft passen oder nicht passen, paßte vortrefflich für ihre hohe kräftige Figur, die darin wahrhaft königlich aussah und für mich eine erquikende Erscheinung war. Dank Mrs. Duncan!

Wenn es sich heute Nachmittag oder morgen aufklärt, will Mr. Harrison mich auf den Sklavenmarkt führen, der zu den großen Sehenswürdigkeiten der fröhlichen Stadt gehört. Ich beginne jetzt zu ahnen, warum ich den Missisippi hinabfahren, warum ich nach Neu-Orleans kommen mußte.

Den 27. Dezember.  

Drei Tage lang kaltes Regenwetter in Neu-Orleans und heute ist es noch schlimmer, als in den vorhergehenden Tagen, denn es regnet und schneit zugleich und ist dabei kalt. Aber ich befinde mich wohl, mein Herzchen. Ich pflege mich in meinem gemüthlichen heiteren Zimmer und habe heute wieder einen jener innern Frühlingstage, die mich zuweilen mitten im Winter mit überwallendem Frühlingsleben überraschen, wo Alles in meiner Seele sich in einem geistigen Sonnenschein bewegt, wächst und blüht; wo alle Gedanken in Blüthen ausschlagen, sich verbinden, sich gleichsam mit einander vereinigen, auf eine Art, die mich selbst überrascht und entzückt; wo Kopf und Brust zu eng scheinen für die Gefühle und Ahnungen, die sich darin bewegen und sich gleichsam einen Weg hinaussprengen

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 519. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Zweiter_Band.djvu/537&oldid=- (Version vom 20.8.2021)