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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band

Die Wohnung des Präsidenten ist ein schönes pallastartiges Haus (aber von zu einfachem Styl, um Pallast genannt werden zu können) in der Nähe des Potomakflusses. Lage und Aussichten sind schön. Die Musik spielte „das sternbesäte Banner“ und andere vaterländische Stücke. Drei- bis vierhundert Personen, Herren, Frauenzimmer und Kinder, lustwandelten im Grünen; der Abend war schön, die ganze Scene heiter und munter, sie zeugte von ächt republikanischem Geist. Ich labte mich daran, indem ich bald mit dem einen, bald mit dem andern Congreßmitglied Arm in Arm umherspazierte und nach rechts und links Händedrücke wechselte. Da man weiß, daß ich kleine Kinder liebe, führten mehrere Mütter und Väter ihre Kinder vor, um mir die Händchen zu reichen. Dieß freute mich. Der Präsident sah ebenfalls seine Lust an den Kindern, die sorglos umhersprangen oder im Grase saßen. Er schien mir ein Mann zwischen 50 und 60 Jahren zu sein; man sagt aber, er sei seiner Stellung und der gegenwärtigen Streitigkeiten in der Union herzlich müde und sehr darüber bekümmert. Hier schien er eine Ruhestunde zu genießen und stand in patriarchalischer Einfachheit und Freundlichkeit unter der Menge da.


Später.  

Ich komme soeben vom Capitol heim, wo ich den Morgen zugebracht habe, wo man aber mehr mit den Senatoren Arm in Arm umherspaziert und plaudert, als man den Rednern im Senat zuhört. Das Letztere ist es jedoch, was ich wollte. Der Eintritt Californiens in die Union mit oder ohne Sklaverei ist die große Streitfrage des Tages, welche den Norden und Süden in feindliche Parteien spaltet. Niemand weiß, wie der Kampf endigen wird, und der Präsident soll neulich gesagt haben: „Es sieht allerwärts trübe aus.“

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Zweiter_Band.djvu/70&oldid=- (Version vom 4.8.2020)