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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band

Der Staatsmann Henry Clay, der einen Vergleich zu Stande zu bringen sucht und lange dafür gearbeitet, hat in den letzteren Zeiten (man sagt, in Folge seines despotischen und übermütigen Benehmens) den Senat gegen sich bekommen, und der Widerstand, den er bei seinen Herrn Collegen trifft, macht ihm manche verdrießliche Stunde. Er beklagte sich heute bitter darüber, als ich vor der Sitzung nebst Anna Lynch, ihn auf seinem Zimmer besuchte. (Er war gestern bei mir gewesen, so lange ich im Weißen Haus war.) Sodann fragte er mich über König Oskar, seinen Charakter, seine Stellung zum Volke u.s.w. Ich bekomme so viele bedeutungslose und triviale Fragen zu hören, daß es mich wahrhaft erfrischt, wenn ich manchmal auch andere, in denen ein Ernst und ein Gedanke ist, und die mit ernster Absicht an mich, gestellt werden, zu beantworten habe. Und ich freute mich, Clay sagen zu können, daß wir in König Oskar einen guten, klugen und gerechten Monarchen besitzen, den wir lieben. In Allem, was Clay von Schweden und der schwedischen Staatsverfassung wußte, erkannte ich den Blick des Genies, das weniger Kenntnisse bedarf, um Vieles einzusehen und zu verstehen. Just als wir an diesem Capitel waren, führte der Bediente einen wunderlichen kleinen Mann mit einem Stocke in der Hand ein, der wie ein Knittel und zugleich wie ein Zauberstab aussah — irgend ein Ungeheuer aus dem großen Westen, dachte ich. Notabene, wir saßen bei offenen Thüren da. „Ist dieß Henry Clay“ sagte der kleine Mann, indem er sich und seinen Knittel gerade vor dem großen Staatsmann aufpflanzte. „Ja, mein Herr! dieß ist mein Name,“ antwortete Clay ungeduldig. „Setzen Sie sich. Was wollen Sie von mir?“ — Der kleine Mann setzte sich ganz ungenirt in einen Lehnstuhl, und ich erhob mich, indem ich etwas von meiner Befürchtung äußerte, Clay's Zeit zu sehr in Anspruch zu

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 53. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Zweiter_Band.djvu/71&oldid=- (Version vom 4.8.2020)