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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band

hörte er, wie die Frau Präsidentin ihrem Herrn Gemahl recht tüchtig den Text über Etwas verlas, worin er nach ihrer Ansicht nicht recht gehandelt hatte und anders hätte handeln sollen; eine Lektion, die er mit dem tiefsten Schweigen anhörte, bis sie zu Ende war. Dann that er seinen Mund auf, redete und sprach: „Jetzt schlaf wohl, meine Liebe!“ (Now, good sleep, my dear!) Portraits und Beschreibungen von ihr schildern sie als ein hübsches, gemüthliches, freundliches Weibchen, von welchem auch eine Gardinenpredigt just nicht so unangenehm sein konnte.

Washington war im Sklavenstaat Virginien geboren und war selbst beinahe bis zu seinem Tod Sklavenbesitzer. Kurz vorher schenkte er seinen Sklaven die Freiheit, und es ist wirklich merkwürdig in seinem Testament, das ich vor Kurzem gelesen habe, zu sehen, wie ihm Nichts mehr am Herzen gelegen zu haben scheint als die Sorge für seine Sklaven. Die Vorschriften über die Behandlung derjenigen, die freigegeben werden, sowie der alten oder kränklichen, die bis zu ihrem Tod wohl verpflegt werden sollten, füllen mehrere Seiten. Diese noch über seinen Tod hinaus reichende Besorgtheit um alte Sklaven stellt den republikanischen Helden der neuen Welt hoch über die Helden des alten Rom. Washingtons reine Menschlichkeit leuchtet in ihrem schönsten Glanz daraus hervor. Diese reine Menschlichkeit ist es mehr als sein staatsmännisches Talent, mehr als sein warmer Patriotismus, was Washington zu dem großen Manne der neuen Welt macht — ich will nicht sagen zum größten, denn auf diesen warte ich noch. — Sie ist es auch, was die einhellige, warme Huldigung hervorruft, welche das Volk der neuen Welt ihm widmet, und was ihm auch die Huldigung Europas erobert hat, so daß Rußlands großer Czar mit gleicher Verehrung von seinem Andenken spricht, wie die Staaten Amerikas. Washington suchte in Allem

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 66. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Zweiter_Band.djvu/84&oldid=- (Version vom 4.8.2020)