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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band

über Californiens Recht und Freiheit, und die persönliche Abneigung zwischen beiden Männern ist so weit gediehen, daß Clay seinen Platz an unserer Table d’hote, wo Berrian neben ihm saß, aufgegeben hat. Clay speist jetzt auf seinem Zimmer und Berrian bleibt nach wie vor an der Tafel.

Mitten in diesem Lager sitzt der Coloß Daniel Webster gemächlich in seinem Lehnstuhl mit blaßgelber Wange und Stirne, und scheint beschwert von Gedanken oder von der Wärme, vielleicht von beiden; ich nenne ihn Coloß, nicht weil ich eine übermäßige geistige Größe in ihm erblicke, sondern um seines prächtigen Kopfes und massiven Aussehens willen (obschon er von Gestalt nicht groß ist), wie auch darum, weil sein Einfluß sich als etwas Colossales zu empfinden gibt. Er ist einer der schönsten Männer gewesen, ein Mann von natürlicher königlicher Würde, und er soll durch sein bloßes Auftreten eine beinahe magische Gewalt auf Menschenmassen ausüben. Er zählt jetzt über 60 Jahre und ist noch immer ein schöner kräftiger Mann, obschon die Jahre und die Masse der Gedanken ihn zu beschweren scheinen. H. Clay ist mit mehr als 70 Jahren im Vergleich zu Webster immer noch ein Jüngling in Aussehen und Wesen. Clay ist stets bereit Feuer zu geben. Webster scheint hauptsächlich darauf bedacht, seine Kanone wohl zu laden, bevor er die Lunte ansetzt.

Die Senatoren von Illinois, General Shield und Richter Douglas, sind klein von Person, aber beide Männer von Talent und Geist. Die tiefen schönen Augen des Letzteren flammen von einem dunklen Feuer, von welchem man sagt, es brenne für ehrgeizige Pläne und strebe nach dem Präsidentenstuhl. (Aber dasselbe Streben wird auch Clay, Webster, Seward und mehreren Andern untergeschoben.) Er spricht nicht viel, wenigsten in Gesellschaft, aber man spürt seine Gegenwart. Seinem Aussehen nach scheint er ein warmherziges,

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 79. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Zweiter_Band.djvu/97&oldid=- (Version vom 4.8.2020)