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lag ihm nicht, dazu war er eine zu schlichte Natur. Er legte sich nieder, nachdem er Fennek noch ein paar Streifen Fleisch und einige Hände voll Feigen hingeworfen hatte. Der kleine Kerl sah unglaublich ruppig aus. Sein vordem so prächtiger Pelz war glanzlos, und unter dem Haar zeigten sich die dicken Striemen brutaler Schläge.

Niemals hätte ich einem Geschöpf seiner Art die Fähigkeit zu solchen Zärtlichkeitsbeweisen zugetraut. Ein Hündchen, das man sich selbst aufgezogen hat, hätte nicht inniger seine Gefühle ausdrücken können wie dieser Wüstenfuchs, den ich einst aus der Fangschlinge befreit hatte. Er war halb verhungert, die Rippen standen ihm heraus, aber – – um die leckere Nahrung kümmerte er sich nicht. Ich war ihm die Hauptsache, ich, sein Herr, dem er nun monatelang gehörte, mit dem er durch tausend kleine Abenteuer und viele kritische Stunden sich eng verbunden wußte.

Ich streichelte ihn, drückte ihn an mich, in seinen Augen war ein Strahlen, wie es nicht ausdrucksvoller sein konnte.

Allmählich beruhigte er sich, langsam siegte der leere Magen über das Herz, er beschnupperte die Feigen, lag dann kauend in meinem Schoße …

Solche Stunden vergißt man nie.

Die Leute, die dort in den Riesensteinkästen an der breiten Straße des Alltags wohnen, reden so häufig von Stunden der Weihe.

Empfohlene Zitierweise:
Max Schraut: Die Herrin der Unterwelt. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1930, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Herrin_der_Unterwelt.pdf/58&oldid=- (Version vom 31.7.2018)