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die zarten und doch dichten Schleier von Dingen, die er mir verbarg.

Was aber hatte er zu verbergen?!

Seine Person war einwandfrei. Ich wußte, daß er vor zwei Jahren absichtlich in aller Stille die ehemalige Hauptstadt des Negus Negesti, des Königs der Könige von Äthiopien (die Abessinier nennen ihr Reich in der Hofsprache nur Äthiopien) verlassen hatte. Addis Abeba, als Residenz abgelöst durch das nur sechzig Kilometer entfernte Addis Alam, war Vincents Hauptbetätigungsfeld gewesen. Diese Stadt von rund achtzigtausend Einwohnern mit den Bergterrassen im Hintergrund, mit zahlreichen Gebirgsbächen, täglich stattfindendem Markt, mit einem dauernden Strom von Fremden, Karawanen, Händlern, Autos, – diese Metropole des einzigen christlichen selbständigen Staates in Afrika mochte das Verschwinden einer bei Hofe so angesehenen Persönlichkeit, wie Doktor Turst es zweifellos gewesen, nicht stillschweigend hingenommen haben. Sicherlich hat man nach ihm gesucht, und – er?!

Zwei Jahre hauste er hier in der Einsamkeit, zwei Jahre gab er hin, nur um das Rätsel dieser Affenkönigin zu ergründen. In zwei Jahren war er, was diese seine Absichten betraf, keinen Schritt vorwärtsgekommen. Dreimal hatte er die Hamadryas beim Vollmondtanze beobachtet, – soundso oft war er in Lebensgefahr gewesen, wenn die Wachen der Mantelpaviane ihn bemerkt hatten.

Empfohlene Zitierweise:
Max Schraut: Die Herrin der Unterwelt. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1930, Seite 60. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Herrin_der_Unterwelt.pdf/61&oldid=- (Version vom 31.7.2018)