Das dreizehnte Jahrhundert war für die Juden eine überaus schwere Zeit, denn allerorten brachen damals Judenverfolgungen aus und wollten schier kein Ende nehmen. In Frankfurt am Main, das schon im Mittelalter ein Hauptsitz des Geldes und der Juden war, fand im Jahre 1246 eine Niedermetzelung der Juden statt, weshalb der Stadtrat sich aufmachen mußte, um bei dem Kaiser Konrad IV. Verzeihung für die Mißhandlung und Tötungen der kaiserlichen Kammerknechte zu erbitten, die der Kaiser in Rothenburg auch gewährte.
In England ließ König Eduard I. im Jahre 1275, ein Jahr nach seiner Krönung, die Verordnung ergehen, daß die Juden seine neuen Synagogen errichten, keine Meierhöfe und liegenden Güter erwerben, keinen Wucher mit Geldausleihen treiben duften. Jeder Jude mußte als Kennzeichen seiner Nationalität zwei gelbe Tuchflecken am Kleide tragen, und hatte jährlich drei Pennys Kopfgeld zu entrichten, zur Anerkennung dafür, daß die Juden Kammerknechte des Königs waren.
Noch schlimmer erging es den Juden im Jahre 1279. In England, wie in Frankreich, erhob sich immer stärker die Klage des Volkes über Münzverschlechterung. Den Juden maß man die Hauptschuld hieran bei. Als daher eines Tages viele Juden verhaftet, und schlechte Münzen bei ihnen gefunden wurden, so war das für die niedergesetzte Specialkommission Beweis genug, um nur allein in London 280 Juden zum Tode durch den Strang zu verurteilen. Anderwärts soll Ähnliches geschehen sein. Hab und Gut der Gehenkten wurde eingezogen und floß in die königliche Kasse. König Eduard brauchte aber noch mehr Geld. Also ließ er an einem bestimmten Tage – 2. Mai 1287 – alle Juden seines Reiches, ohne Unterschied des Alters und Geschlechtes, in den Kerker werfen, gab ihnen aber sämtlich die Freiheit wieder gegen ein Geschenk von 12,000 Pfund Silbers. Doch drei Jahre später brach erst der Vernichtungssturm los. Ohne nur irgend einen erheblichen Grund vorzuschützen, befiehlt ein königlicher Erlaß vom 31. August 1290 dem ganzen Judengeschlechte bei Todesstrafe, innerhalb zweier Monate den Boden Englands zu verlassen. Für eine Zahl von 16,511 Köpfen wurden Pässe ausgestellt, die leicht bewegliche Habe konnten sie mitnehmen, aber Häuser und Güter und Schätze und Guthaben gehörten der königlichen Kasse. Bei der Überfahrt über den Kanal – 1. November 1290 – sollen manche Juden umgekommen sein durch den Fanatismus und die Raubgier der Schiffsleute. Allerdings wurden auf König Eduards Befehl diese Schiffsleute zur Rechenschaft gezogen und in Strafe genommen, aber aus dem einfachen Grunde, weil das Rauben nur dem Könige allein zustand.
Zwei Jahre nach dieser Judenverfolgung in England brach eine solche in Deutschland aus. Wütend fiel das christliche Volk im Jahre 1282 am Rheine, namentlich in Mainz, in Franken und hie und da in Bayern über die Hebräer, des Königs Kammerknechte und der Fürsten Blutegel, her. Schauerliches wird erzählt. Mit eigener Hand erwürgten die Juden in der Verzweiflung ihre Kinder, damit sie nicht getauft würden, und verbrannten sich samt allen ihren Schätzen in ihren Wohnhäusern oder in den Synagogen. In München verbreitete sich das Gerücht, die Juden hätten einem alten Weibe ein Christenkind
Friedrich Frank: Die Kirche und die Juden. Manz, Regensburg 1893, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Kirche_und_Die_Juden.djvu/24&oldid=- (Version vom 31.7.2018)