Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage | |
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jetzigen Manne in jener Nacht erzählt, als sie zusammen im gleichen Kinderbettchen gelegen. Dann deckte sie den Tisch mit festlichen Linnen und trug auf, was sie an Speise und Wein hatte finden und bereiten können.
In tiefer Stille und Einsamkeit saßen sie nun neben einander, sie in ihrem Kranze und er mit abgelegten Waffen, und nachdem sie ihr einfaches Mal genossen, gingen sie zur Ruhe. „So kann es Einem ergehen!" sagte Küngolt heute zum zweiten Male und mit leichterem Herzen leise vor sich hin, als sie zufrieden an der Seite ihres Mannes lag; denn es blieb immer ein Restchen von Schalkheit in ihr.
Dietegen wurde ein angesehener Mann durch das Kriegswesen, nicht besser als Andere jener Zeit, vielmehr den gleichen Fehlern unterworfen. Er wurde ein Feldhauptmann, der für oder wider die fremden Herren Partei nahm, Söldner warb, Gold und Beute raffte und so von Krieg zu Krieg sein Wesen trieb, gleich den Ersten seines Landes, so daß er emporkam und einen oft gewaltthätigen Einfluß übte. Allein mit seiner Frau lebte er in ununterbrochener Eintracht und Ehre und gründete mit ihr ein zahlreiches Geschlecht, das jetzt noch in Blüthe steht in verschiedenen Ländern, wohin der kriegerische Zug der Zeiten die Vorfahren einst getrieben.
Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 100. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/376&oldid=- (Version vom 31.7.2018)