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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage

Hierüber murrten die Andern und der ideale Redner verwies den Uebelthätern ihre gemeine Gesinnung und rief, sie hätten ihre eigenen Häringsseelen dem Vaterlande in's Angesicht geschleudert und die reinen Alpenfirnen beschmutzt. Doch jene lachten nur und riefen: Selbst Häringsseelen! so daß es abermals Streit und Lärmen gab.

Jukundus legte die Arme auf den Tisch und den Kopf darauf und seufzte tief.

Jetzt ertönte mitten in dem Tumult die dünne Fistelstimme eines gewesenen Gemeindeseckelmeisters, der vergeblich jenes Lied zu singen suchte, welches Jukundus auf dem Wege zum Gesangfeste durch den Wald gesungen hatte; endlich besann sich der Sänger auf die Schlußworte und kreischte in schrillem Tone:

In Vaterlandes Saus und Brause,
Da ist die Freude sündenrein,
Und kehr' ich besser nicht nach Hause,
So werd' ich auch nicht schlechter sein!

Da erinnerte sich Jukundus des schönen und glücklichen Tages, an dem er Justinen zum ersten Male gesehen hatte, und verbarg sein Gesicht noch tiefer, indem er mit Mühe bittere Thränen zurückhielt.


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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 205. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/481&oldid=- (Version vom 31.7.2018)