Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage | |
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von ihnen geurtheilt hatte, sie könnten ganz gut einen Begriff von den Urchristen der ersten Zeiten geben. Die beiden Personen hatten früher in Schwanau gelebt und die Tochter hatte in den Glor'schen Fabriksälen gearbeitet. Justine, welche eine gewisse Zuneigung zu den Leutchen empfunden, war zu verschiedenen Malen von dem Vorsatze, dieselben zu bekehren und für ihre artig eingerichtete und verständige Kirche zu gewinnen, unwillkürlich abgestanden, sobald sie an die Ausführung hatte gehen wollen; dann waren Mutter und Tochter aus der Gegend weg und in die Nähe der Hauptstadt gezogen, und jetzt beschloß die schlaflose Justine, sie aufzusuchen und das Geheimnis ihres Friedens und ihres Glaubens zu erforschen und ihrer Glückseligkeit theilhaftig zu werden, wenn es möglich wäre. Sie beschloß auch, das schon am nächsten Tage in's Werk zu setzen.
Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 224. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/500&oldid=- (Version vom 31.7.2018)