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„Oh, darüber läßt sich nicht viel sagen, Herr Harst. Mir begegnete auf der Straße in Kopenhagen ein alter Fischer oder Matrose, reichte mir einen Brief und war wieder verschwunden, bevor ich noch recht wußte, daß ich von einem Fremden diesen Brief entgegengenommen hatte.“

Sie öffnete ihr goldenes Handtäschchen. „Bitte – hier ist Umschlag und Brief. Alles ist mit Maschine geschrieben. Ich habe keine Ahnung, wer der Absender ist. Unter den drei Zeilen steht lediglich ein fremdländisch klingender Name: Lihin Omen!“

„Also hatte ich richtig vermutet!“ rief Harst leise und nickte mir vielsagend zu. Dann las er den kurzen Brief unseres Konkurenten:

„Sehr geehrte gnädige Frau! Ein Freund teilt Ihnen mit, daß Harald Harst sich in Stockholm aufhält. Sie tun recht daran, ihn um Hilfe zu bitten. Ihre Tochter muß diesem Scheusal von Palperlon entrissen werden. Ich bin ehrlich: Meine Kunst versagt hier! Ich hätte für Sie, Ihre Tochter und Ihrem Gatten keine Mühe gescheut. – Ihr ergebenster – Lihin Omen!“

Harst hatte sich erhoben. „Herr Inspektor, wenn es Ihnen genehm ist, fahren wir jetzt nach dem Polizeigefängnis,“ wandte er sich an Brodersen.

Dieser hatte sein Dienstauto vor dem Hotel warten lassen. Während der Fahrt in dem geschlossenen Kraftwagen fragte Harst Frau Knork, ob ihre Tochter nicht schon vor der Reise nach Heluan ernsthafte Bewerber gehabt habe.

Frau Theresa Knork entgegnete ohne Zögern: „Magda hatte einen Bewerber, den wir mit Freuden als Schwiegersohn willkommen geheißen hätten. Es war ein sehr reicher, feingebildeter Mann. Aber Magda war er gleichgültig.“ –

„Dürfte ich den Namen erfahren?“

Die Frau Generalkonsul zauderte. „Muß ich ihn wirklich nennen? – Nun, es sei. Der Herr ist der Berliner Privatgelehrte und Kunstsammler Dr. Erwin Branden, ein mehrfacher Millionär.“

„So so. – Nun, dieser Herr interessiert mich nicht weiter,“ meinte Harst.

Wir waren angelangt. Brodersen führte uns in sein Dienstzimmer. Frau Knork mußte sich in einen Aktenraum nebenan hinter die handbreit geöffnete Tür setzen.

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Walther Kabel: Die Rätselbrücke. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_R%C3%A4tselbr%C3%BCcke.pdf/12&oldid=- (Version vom 31.7.2018)