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Stirn. Seine Hand zitterte. In seinen grauen, großen Augen lag ein Ausdruck von Sorge und Angst.

„Sie haben recht, Herr Harst. Ich war soeben in Ihrem Hotel,“ antwortete er überhastet. „In meiner Villa ist in der verflossenen Nacht ein rätselhafter Diebstahl verübt worden. – Ich übertreibe wirklich nicht: die Sache ist völlig unerklärlich. Wäre dem nicht so, würde ich es wahrhaftig nicht wagen, Sie mit der Bitte zu belästigen, mir zu helfen, diese geheimnisvolle Angelegenheit aufzuklären. Ein Mann von Ihrem Weltruf – jede Schmeichelei liegt mir fern – gibt sich kaum mit Lappalien ab. – Um es kurz zu sagen: mir ist ein Edelstein gestohlen worden, der unter dem Namen „Die Rose von Rondebosch“ eine gewisse Berühmtheit besitzt, – ein Stein von zartrosa Färbung, die äußerst selten ist, und von der Größe eines Taubeneis.“

„Ich habe von dem Stein bereits gehört, Herr Fitzgerald. Ich bin gern bereit, mit nach Ihrer Villa zu kommen. – Gehen wir also. – So, vielleicht sagen Sie mir nun, wo und wie Sie wohnen, wo der Stein aufbewahrt wurde und ob Sie gegen irgend jemand Verdacht haben.“

Der Pfad ist schmal, der zur Bergkuppe führt, so daß ich hinter den beiden Herren bleiben mußte. Trotzdem vernahm ich jedes Wort, denn Fitzgeralds Stimme war sehr kräftig.

„Ich wohne in dem Villenvorort Rondebosch südlich von Kapstadt, Herr Harst,“ begann der Engländer. „Ich bin alleiniger Eigentümer der Exportfirma Blaker und Fitzgerald. Mein Kompagnon starb vor vier Jahren. Meine Villa liegt abseits in einem großen Park. Ich bin verheiratet. Meine Frau weilt seit drei Monaten in London bei –“ eine kurze Pause – „bei einem Spezialarzt. Sie leidet an Netzhautablösung, – falls Sie diese gefährliche Augenerkrankung kennen. Kinder haben wir nicht. Bei uns wohnt jedoch ein Neffe meiner Frau, der in meinem Geschäft zweiter Kassierer ist. Er heißt Edward Pook. Außer ihm befinden sich in der Villa noch ständig die Köchin, ein Stubenmädchen und ein Gärtner. Diese drei sind Engländer wie ich. Dann habe ich noch zwei schwarze Diener, die seit acht Jahren in meinem Dienst stehen. Mithin hat die Villa zur Zeit außer mir und Edward noch fünf Bewohner. Die beiden Schwarzen sind jedoch in einem Nebengebäude untergebracht, und Simpson, der Gärtner, haust am Parkeingang in einem kleinen Häuschen, so daß sich in der

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Walther Kabel: Die Rätselbrücke. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_R%C3%A4tselbr%C3%BCcke.pdf/32&oldid=- (Version vom 31.7.2018)